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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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und anders sterben.
    Und doch ist es hier in diesem Hotel besser, hier mit dir. Du kommst mir bekannter vor. Und alles, was mit dir und um dich herum ist, hat was Vertrautes. Ja, auch dein Geruch ist vertrauenerweckender. In dieser stinkigen Maschinenwelt, die man Zivilisation nennt, vermögen die Menschen gar nicht mehr zu riechen, es heißt, ihre Nasen seien verkümmert. Aber ich bin noch zwischen Tieren geboren, und ich habe den Geruchssinn geschenkt bekommen, den die Reichen nicht mehr haben. Meine Herrschaft kannte ihren eigenen Geruch nicht mehr. Auch deshalb mochte ich sie nicht. Ich habe sie einfach nur bedient, erst in der Küche, dann im Salon und zuletzt im Bett. Immer nur bedient. Dich aber liebe ich, weil dein Geruch vertraut ist. Gib mir einen Kuß. Danke.
    Ich kann dir vom Reichtum nicht alles erzählen, weil es darüber Tag würde, nicht nur einmal, sondern tausendundeinmal, wie im Märchen. Ich könnte nächte- und jahrelang erzählen. Deshalb will ich gar nicht davon anfangen, was in ihren Schränken und Schubladen noch alles war, wie viele Klamotten, wie im Theater, für jede Rolle, für jeden Augenblick des Lebens. Das läßt sich nicht aufzählen. Ich will dir lieber davon berichten, was in ihren Seelen war. Wenn es dich interessiert. Ja, doch, ich weiß, es interessiert dich. Also, hör zu.
    Nach einer Zeit begriff ich, daß sie die vielen Schätze und Kinkerlitzchen, die sie in ihren Zimmern und Schränken aufgehäuft hatten, in Wirklichkeit gar nicht brauchten. Sie wühlten zuweilen ein bißchen darin herum, aber eigentlich war es ihnen ziemlich egal, ob man diese Gegenstände gebrauchen konnte und wozu sie dienten. Auch der Alte hatte eine Garderobe wie ein gedienter Charakterdarsteller. Aber er schlief im Nachthemd, er hatte Hosenträger, und morgens kam er mit einer Schnurrbartbinde aus dem Bad, und er hatte auch eine Schnurrbartbürste, mit Brillantine drauf und einem kleinen Spiegel auf der Rückseite. Morgens spazierte er am liebsten in einem abgewetzten Schlafrock in seinem Zimmer herum, obwohl er im Schrank ein halbes Dutzend seidene Morgenmäntel hängen hatte, »dressing gowns«, die er von der Gnädigen zu Weihnachten oder zum Namenstag bekam.
    Der Alte murrte manchmal, aber alles in allem fand er sich brav damit ab, daß sich vieles nicht ändern ließ. Er scheffelte Geld, leitete die Fabrik, paßte sich der Rolle an, die er zum Teil selbst erfunden und zum Teil geerbt hatte, aber insgeheim hätte er am liebsten in einer nahen Wirtschaft gekegelt und Gespritzten getrunken. Doch er war klug und wußte, daß man nicht nur Dinge schuf, sondern von ihnen auch geschaffen wurde. Der Bursche da, weißt du, der Künstlerartige, hat einmal gesagt, alles stülpe sich um, und der Mensch sei nie frei, denn auch von dem, was er schaffe, werde er gefesselt. Der Alte hatte also die Fabrik und den Reichtum geschaffen und sich damit abgefunden, daß ihn das alles festnagelte und es kein Entrinnen gab. Deshalb ging er nachmittags nicht kegeln, sondern spielte im Millionärsklub mit saurer Miene Bridge.
    Der alte Mann hatte eine bittere, spöttische Klugheit, die ich nicht vergessen kann. Wenn ich ihm morgens auf einem Silbertablett den Orangensaft reichte, schaute er von seiner englischen Zeitung auf, schob sich die Brille auf die Stirn und griff mit einer kurzsichtigen Bewegung nach dem Glas. Doch um seinen Schnurrbart herum war irgendwie ein spöttisches Grinsen, wie wenn man eine Medizin schluckt, an die man gar nicht glaubt. Und mit dem gleichen Grinsen zog er sich an. Um seinen Schnurrbart herum war da etwas. Denn der Mann hatte noch einen Schnurrbart wie Franz Joseph, du weißt ja, so einen monarchistischen k.   u.   k. Schnauz. Der ganze Mann stammte noch aus einer anderen Welt, aus jener wahren Friedenszeit, als die Herren echte Herren und die Dienstboten echte Dienstboten waren. Und die Großunternehmer hatten fünfzig Millionen Menschen im Auge, wenn sie ihre Dampfmaschinen oder zeitgemäßen Kochherde herstellten. Aus dieser Welt stammte der Alte, und diese neue, diese Miniwelt war ihm offensichtlich zu eng. Ich denke natürlich an die Welt nach dem kleinen Weltkrieg, wenn ich das sage.
    Er grinste spöttisch, und dieser selbstverächtliche, weltverlachende Zug war um seinen Schnurrbart herum sichtbar. War da, wenn er sich anzog, wenn er Tennis spielte, wenn er sich zum Frühstück setzte, wenn er der Gnädigen die Hand küßte und höflich Konversation machte. Immer so, als verachte er

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