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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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glaubt, sondern zur Quacksalberin rennt, weil die vielleicht noch helfen kann. Auf diese Art kam er zu mir, von seiner Frau und seinem alten Leben. Er dachte, für ihn sei ich die Quacksalberin. Aber ich konnte ihm keine heilenden Kräuter kochen.
    Gib mal das Photo her, ich will es mir noch einmal anschauen. Ja, so hat er ausgesehen, vor fünfzehn Jahren.
    Habe ich schon erzählt, daß ich das Bild lange um den Hals trug? In einem kleinen Medaillon, an einem violetten Band? Weißt du, warum? Weil ich Geld ausgegeben hatte dafür. Da war ich noch Dienstmädchen, ich hatte es von meinem Verdienst gekauft, deshalb hielt ich es in Ehren. Mein Mann hat nie verstanden, was für eine große Sache das ist, wenn Leute meines Schlags Geld ausgeben für etwas nicht Lebensnotwendiges. Ich meine, richtiges Geld, ein paar Pengő vom Salär oder von einem Trinkgeld. Später warf ich mit dem Geld, den Tausendern meines Mannes, um mich wie als Dienstmädchen beim Hühnerrupfen mit den Federn. Das war für mich kein Geld. Doch als ich dieses Bild kaufte, klopfte mir das Herz, denn ich war arm und hatte das Gefühl, es sei eine Sünde, für so etwas Geld auszugeben. Dieses Photo war damals sündhafter Luxus für mich. Trotzdem ging ich heimlich zum berühmten Photographen in der Innenstadt und zahlte den vollen Preis, ohne zu feilschen. Der Photograph lachte und gab das Bild billig her. Das war das einzige Opfer, das ich je für meinen Mann gebracht habe.
    Er war hochgewachsen, fünf Zentimeter größer als ich, und sein Gewicht blieb immer gleich. Er regelte seinen Körper genauso wie seine Worte, seine Art zu reden. Winters nahm er zwei Kilo zu, aber im Mai war er die wieder los, und so blieb er dann bis Weihnachten. Glaub ja nicht, er habe Diät gehalten, so was kam bei ihm nicht in Frage. Nur ging er mit seinem Körper um wie mit einem Angestellten, er verfügte über ihn.
    Er verfügte auch über seine Augen und seinen Mund. Seine Augen lachten separat, und sein Mund lachte separat, so wie es gerade erforderlich war. Nur lachte nie alles miteinander. Nicht so wie du, mein Einziger, nicht so, wie du gestern gelacht hast, fröhlich und frei, mit lachenden Augen und lachendem Mund, als du mir sagtest, was für ein tolles Geschäft du mit dem Ring gemacht hast.
    So etwas konnte er eben nicht. Ich habe mit ihm zusammengelebt, als seine Frau und, natürlich in viel größerer Intimität, als sein Dienstmädchen, aber so richtig aus voller Kehle habe ich ihn nie lachen hören.
    Er lächelte eher nur. Als ich in London den mit allen Wassern gewaschenen Griechen kennenlernte, der mir dann allerlei beibrachte – nein, löchere mich jetzt nicht, ich kann nicht auch noch erzählen, was der mir beigebracht hat, sonst wird es Tag –, also, dieser Grieche hat gesagt, ich solle unter den Engländern darauf achten, daß ich in Gesellschaft nie lache, denn das sei ordinär. Ich solle immer nur lächeln. Ich sage es dir, weil ich möchte, daß du alles weißt, was dir im Leben noch nützlich sein kann.
    Mein Mann konnte hervorragend lächeln. Ich hätte ihn manchmal für dieses Lächeln am liebsten vergiftet. Als ob er es irgendwo gelernt hätte. Auf einer geheimen Universität für die Reichen. Er lächelte zum Beispiel auch, wenn er hereingelegt wurde. Ich stellte ihn manchmal auf die Probe. Legte ihn auch herein und beobachtete ihn. Sogar im Bett tat ich das. Das war nicht immer ungefährlich. Man weiß ja nie, wie einer reagiert, der im Bett hereingelegt wird.
    Damals erregte mich diese Gefahr. Ich dachte, eines Tages holt er in der Küche ein Messer und schlitzt mir den Bauch auf wie einem Schlachtschwein. Das war natürlich nur ein Traum, ein sogenannter Wunschtraum. Das Wort hatte ich von einem Arzt gelernt, zu dem ich eine Zeitlang ging, weil ich die Mode nachäffte, weil ich reich war und es mir leisten konnte, seelische Probleme zu haben. Der Arzt kassierte fünfzig Pengő für die Stunde. Für dieses Geld durfte ich mich in seinem Sprechzimmer auf eine Couch legen und ihm meine Träume und alle Schweinereien erzählen, die mir einfielen. Andere Männer bezahlen dafür, daß sich eine Frau auf die Couch legt und Schweinereien redet. Aber den bezahlte ich und lernte von ihm Wörter wie Wunschtraum und Verdrängung.
    Doch zu lächeln habe ich nie gelernt. Dafür braucht es offenbar noch mehr. Vielleicht hatte schon der Großvater dieser Leute zu lächeln gewußt. Das haßte ich auch, so wie den Blödsinn mit den Nachthemden, ich haßte

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