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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Liegeplätze berechnet, für die beiden Alten, für meinen Mann und dann noch für drei Personen, weiß der Kuckuck für wen, vielleicht für die toten Besucher, ich meine, falls einer tot umfiel und man ihn gleich bestatten mußte. Ich sah mir die drei Extragrabstätten an und sagte zu meinem Mann, lieber sollen mich die Hunde verscharren, als daß ich mich je in ihre Krypta legen würde. Du hättest sehen sollen, wie er gelacht hat.
    Wir waren also für alle Eventualitäten gerüstet. Selbstverständlich gab es in der Krypta auch elektrisches Licht, zweierlei, ein blaues und ein weißes. Als alles fertig war, ließen wir den Priester kommen, damit er diese Luxustotenbehausung einsegne. Da fehlte nichts, mein Lieber. Weder die Goldbuchstaben über dem Eingang noch, diskret und klein, das Adelswappen der Familie, du weißt ja, so wie auf ihren Unterhosen. Und dann gab es einen Vorplatz mit Blumen und einen Säulengang, so eine Art Entree mit einer Marmorbank für die Besucher, für den Fall, daß sie sich noch ein bißchen hinsetzen wollten, bevor sie starben. Und es führte eine verzierte Eisentür zum Salon, wo die Alten hingelegt wurden. Das war ein Grabgewölbe, das nicht einfach für ein paar Jahre gedacht war, obwohl jetzt die Reichen sogar aus ihren Gräbern hinausgeschmissen worden sind, sondern für die Zeit bis zum Jüngsten Tag, da die edlen Leichen zum Klang der Trompeten aus ihren Mausoleen hinauswandeln würden. Achttausend Pengő habe ich an dem Grabgewölbe verdient, mehr ließ sich aus dem Architekten nicht herausholen. Ich hatte ein Kontokorrent auf der Bank, dort zahlte ich dummerweise diesen kleinen Extraverdienst ein, und eines Tages hat mein Mann zufällig den Brief der Bank gefunden, die mich über die Vermehrung meines bescheidenen Ersparten informierte. Nein, er hat nichts gesagt, wo denkst du hin? Natürlich nicht. Aber es machte ihm schon zu schaffen, das sah man ihm an. Er fand, ein Familienmitglied dürfe am Grabmal der Eltern nichts verdienen. Verstehst du das? Ich auch nicht, noch heute nicht. Ich erzähle es nur, damit du siehst, wie komisch die Reichen sind.
    Und noch etwas will ich erzählen. Ich hatte mich an alles gewöhnt, ertrug alles, ohne zu mucken. Aber eine Gewohnheit hatten sie, die ertrug ich nicht. Mir wird heute noch fast schlecht, wenn ich daran denke. Ich ertrag’s nicht, und basta. Ich habe in den letzten Jahren so einiges erlebt, und die Lektionen sind noch nicht zu Ende. Aber jetzt ertrage ich schon alles ohne Widerrede. Du wirst sehen, am Ende finde ich mich sogar mit dem Altwerden ab. Doch jene eine Gewohnheit ertrug ich nicht. Wenn ich daran denke, wird mir ganz heiß vor Wut.
    Du denkst ans Bett? Ja, aber nicht so, wie du dir das vorstellst. Es hing zwar mit dem Bett zusammen, aber anders. Es ging um ihre Nachthemden und ihre Pyjamas.
    Ich sehe, du verstehst nicht. Es ist auch nicht leicht, das zu erklären. Denn schau, ich bewunderte ja alles in dem Haus, das farbige Klopapier und den Schweizer Fußpfleger, alles machte mir Eindruck. Ich verstand auch, daß so außergewöhnliche Leute nicht nach einer gewöhnlichen Ordnung essen konnten. Daß man ihnen anders servieren, andere Speisen kochen mußte, weil sie vielleicht ein anderes Verdauungssystem hatten. Das mit der Verdauung weiß ich nicht so genau, aber jedenfalls funktionierte sie bei denen anders als bei uns gewöhnlichen Leuten. Fortwährend nahmen sie irgendwelche Abführmittel ein, hantierten mit geheimnisvollen Einläufen. Alles höchst rätselhaft.
    Also, ich konnte nur staunen, manchmal mit offenem Mund, manchmal mit Gänsehaut. Offenbar ist die Bildung nicht nur in den Museen zu finden, sondern auch im Badezimmer solcher Leute und in der Küche, wo für sie gekocht wird. Die haben noch im Keller während der Belagerung anders gelebt, ob du’s glaubst oder nicht. Denn alle ernährten sich nur noch von Bohnen und Erbsen, während diese Leute ausländische Konservendosen öffneten, Straßburger Gänseleber und so. Ich habe im Keller drei Wochen lang eine Frau vor Augen gehabt, die Frau eines ehemaligen Ministers, der sich vor den Russen in den Westen abgesetzt hatte, während sie dageblieben war, und diese Frau hat im Keller, unter den Bomben, noch immer ihre Schlankheitskur gemacht. Die paßte auf ihre Figur auf, brutzelte sich in italienischem Olivenöl irgendeine köstliche Schuhsohle, weil sie fürchtete, sie würde dick von all dem Zeug, das die Leute in ihrer Angst und Verwirrung in sich

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