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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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hineinstopften. Wenn mir das in den Sinn kommt, muß ich immer denken, was für eine merkwürdige Sache doch die Bildung ist.
    Hier in Rom liegen die wunderbaren Statuen, Bilder und edlen Stoffe so herum wie bei uns in den Altwarenhandlungen der ganze Abfall der vergangenen Welt. Aber vielleicht sind hier diese vielen schönen Dinge nur ein Teil der Bildung. Vielleicht ist auch das Bildung, wenn sich die Reichen nach komplizierten Rezepten mit Butter und Öl Gerichte zubereiten lassen, die ein Arzt für sie zusammengestellt hat, als ernährten sie sich nicht nur mit den Zähnen und dem Magen, sondern als müßte für ihre Leber eine eigene Suppe gekocht werden, ein besonderes Fleisch für ihr Herz, ein spezieller Salat für ihre Galle, eine Mehlspeise mit Rosinen für ihre Bauchspeicheldrüse. Und nach dem Essen zogen sie sich mit ihren rätselhaften Verdauungsorganen in aller Stille zum Verdauen zurück. Das war eben auch Kultur. Ich verstand das und hieß es von ganzem Herzen gut. Bloß das mit den Nachthemden und den Pyjamas, das begriff ich nie. Und konnte mich auch nie damit abfinden. Der Teufel hole den, der das erfunden hat!
    Werd nicht ungeduldig, ich erzähl’s ja. Das Nachthemd mußte man auf dem Bett zurechtlegen, indem man es faltete, den unteren Teil auf den Rücken des oberen, und die Ärmel ausbreitete. Verstehst du? Das Nachthemd oder die Pyjamajacke sahen dann aus wie ein Araber, der beim Beten auf dem Gesicht liegt und die Arme ausstreckt. Warum sie das so haben wollten, weiß ich nicht. Vielleicht, weil man das Ding so bequemer anziehen konnte, mit einer Bewegung weniger, man mußte bloß von hinten hineinschlüpfen, und schon war die Nachtgewandung perfekt, sie brauchten sich nicht mit Ziehen und Zerren anzustrengen, bevor sie sich zur Ruhe begaben. Aber mich regte diese übertriebene Voraussicht tödlich auf. Diesen Fimmel ertrug ich einfach nicht. Mir zitterte immer die Hand vor Wut und Widerwillen, wenn ich ihre Betten machte und ihre Nachtgewänder zurechtlegte, wie es mich der Diener gelehrt hatte.
    Siehst du, so komisch ist man. Sogar auch dann, wenn man nicht reich zur Welt gekommen ist. Jeder wird irgendwann kopfscheu, jedem geht einmal etwas über die Hutschnur. Sogar der Arme, der lange alles erträgt, ehrfürchtig und hilflos die Welt nimmt, wie sie ist. Bei mir war es der Augenblick, wenn ich am Abend die dressierten Nachthemden zurechtlegen mußte, und ich begriff plötzlich, wie es geschehen kann, daß Menschen, einzelne Personen oder ganze Völker, eines Tages zu schreien beginnen, so gehe es nicht weiter, man müsse etwas verändern. Und dann stürmen sie auf die Straße und schlagen alles kurz und klein, aber das ist nur noch Theater. Die richtige Revolution, weißt du, die hat schon vorher stattgefunden, im stillen, in den Menschen drin. Schau mich nicht so belämmert an, mein Schönster.
    Kann ja sein, daß ich Blödsinn zusammenrede. Aber man braucht nicht in allem, was die Menschen tun und sagen, einen Sinn zu suchen. Meinst du, es sei vernünftig und logisch, daß ich jetzt hier mit dir im Bett liege? Du verstehst nicht, mein Herz? Macht nichts. Schweig und liebe mich. Das ist die Logik zwischen uns beiden.
    Das war also die Sache mit den Nachthemden. Ich haßte sie dafür. Aber was konnte ich tun? Sie waren eben stärker. Die Höherstehenden kann man hassen, man kann für sie schwärmen, aber verleugnen kann man sie nicht. Eine Zeitlang schwärmte ich für sie. Dann begann ich sie zu fürchten. Dann haßte ich sie. So sehr, daß ich mich als Reiche zu ihnen gesellte, ihre Kleider anzog, mich ins Bett legte, wo sie lagen, auf meine Figur aufzupassen begann und am Ende auch schon Abführmittel nahm. Ich haßte sie nicht, weil sie reich waren und ich arm, versteh mich nicht falsch. Ich möchte, daß endlich jemand diese Arm-reich-Geschichte versteht.
    Denn davon wird in den Zeitungen und auf den Volksversammlungen so viel geschrieben und geredet. Ja, sogar im Kino geht es darum, wie ich letzthin begriffen habe, als ich die Wochenschau sah. Alle reden davon, ich weiß gar nicht, was die Menschen haben. Wahrscheinlich fühlen sie sich insgesamt nicht wohl, deshalb reden sie dauernd von den Reichen und von den Armen, von den Amerikanern und den Russen. Davon verstehe ich nichts. Es heißt ja auch, am Ende komme die große Revolution, und die Russen und überhaupt die Armen werden gewinnen. Doch letzthin hat nachts in der Bar ein vornehmer Mensch – ich glaube, ein

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