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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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war eine kräftige Frau, stattlich und muskulös. Jetzt schien ein Schatten auf dem weißen Gesicht zu liegen. Aber sie beklagte sich nicht. Sie antwortete ebenfalls leise und vertraulich und nicht als Dienstmädchen, sondern als die andere Frau.
    »Das«, sagte sie. »Das von den Bildern. Jetzt wird er es erfahren. Ich gehe weg«, sagte sie noch einmal, verstockt und ein bißchen wie im Wahn.
    »Kann es denn sein, daß er es bisher nicht gewußt hat?«
    »Ach ja«, sagte sie, »er sieht mich schon lange nicht mehr an.«
    »Tragen Sie dieses Medaillon immer?«
    »Nein«, sagte sie. »Nur wenn ich allein bin.«
    »Wenn Sie bedienen, und er ist hier«, fragte ich vertraulich, »dann tragen Sie es nicht?«
    »Nein«, antwortete sie im gleichen Ton. »Denn ich will nicht, daß er sich erinnert.«
    »Warum nicht?«
    »Einfach so«, sagte sie und machte die blauschwarzen Augen weit auf, als blickte sie in einen Brunnen, in die Vergangenheit. »Wozu soll er sich erinnern, wenn er es ja schon vergessen hat.«
    Ich fragte ganz ruhig und mit vertraulich bittender Stimme: »Was, Judit? Was soll vergessen sein?«
    »Nichts«, sagte sie hart.
    »Waren Sie seine Geliebte? Sagen Sie’s mir.«
    »Nein, ich war nicht seine Geliebte«, sagte sie laut und deutlich; es war wie eine Anklage.
    Wir schwiegen. Mit dieser Stimme konnte man nicht feilschen; ich wußte, daß sie die Wahrheit gesagt hatte. Und du kannst mich verachten und verurteilen, aber während ich Erleichterung spürte, sagte gleichzeitig in mir drin eine heimliche, beklommene Stimme: »Leider ist es die Wahrheit. Wieviel einfacher wäre alles …«
    »Was waren Sie dann?« fragte ich.
    Sie zuckte mit den Achseln und war sehr verlegen, aber dann flackerten Wut, Erregung und Verzweiflung über ihr Gesicht wie Blitze über eine tote Landschaft.
    »Wird die gnädige Frau schweigen?« fragte sie drohend, roh und mit heiserer Stimme.
    »Worüber?«
    »Wenn ich es sage, wird sie dann schweigen?«
    Ich blickte ihr in die Augen. Und wußte, daß ich halten mußte, was ich versprach. Diese Frau würde mich umbringen, wenn ich sie anlog.
    »Wenn Sie die Wahrheit sagen«, antwortete ich schließlich, »dann schweige ich.«
    »Schwören Sie«, sagte sie düster und mißtrauisch.
    Sie trat zum Bett, nahm den Rosenkranz von der Wand und reichte ihn mir.
    »Schwören Sie?« fragte sie.
    »Ich schwöre«, sagte ich.
    »Daß Sie dem Herrn nie sagen werden, was Sie von Judit Áldozó gehört haben.«
    »Ich werde es ihm nie sagen. Ich schwöre es«, sagte ich.
    Ich sehe, du verstehst das alles nicht. Wenn ich zurückdenke, verstehe ich es vielleicht auch nicht mehr. Aber damals war das alles so natürlich, so einfach. Ich saß im Zimmer des Dienstmädchens meiner Schwiegermutter, und ich schwor ihr, meinem Mann nie zu sagen, was ich von ihr hören würde. Ob das einfach ist? Ich glaube schon.
    Ich schwor.
    »Gut«, sagte sie und schien beruhigt. »Dann will ich es sagen.«
    In ihrer Stimme war eine große Müdigkeit. Sie hängte den Rosenkranz an die Wand zurück und ging zweimal durch das Zimmer, mit langen, leichten Schritten. Ja, wie der Puma im Käfig. Sie lehnte sich gegen den Schrank. Jetzt wirkte sie groß, viel größer als ich.
    Sie bog den Hals zurück, verschränkte die Arme und blickte zur Decke: »Woher haben Sie’s, wer hat …?« fragte sie mißtrauisch und verächtlich, in diesem vorstädtischen Dienstmädchenton.
    »Ich weiß es eben«, sagte ich.
    »Hat er davon erzählt?«
    In diesem »er« war viel Vertraulichkeit und Komplizentum, aber auch viel Achtung »ihm« gegenüber. Es war offensichtlich, daß sie noch immer mißtrauisch war und hinter allem eine komplizierte Intrige vermutete, daß sie fürchtete, ich würde sie hereinlegen. Auf diese Art zögern die Angeklagten vor dem Meisterdetektiv oder dem Untersuchungsrichter, im letzten Moment, wenn sie »unter der Beweislast« schon zusammengebrochen sind und gestehen wollen und dann doch noch einmal stocken. Sie haben Angst, daß der Untersuchungsrichter sie irreführt, daß er die Wahrheit vielleicht gar nicht weiß, sondern nur so tut, und jetzt würde er mit einem Trick, mit geheucheltem Wohlwollen das Geständnis, die endgültige Wahrheit aus ihnen herauslocken. Gleichzeitig wissen sie aber, daß sie nicht mehr schweigen können. In ihrer Seele hat ein Vorgang begonnen, der nicht mehr aufzuhalten ist. Sie wollen, sie müssen gestehen.
    »Gut«, sagte sie und schloß kurz die Augen. »Ich will Ihnen

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