Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Gegenstände all das, was für uns das Schöne und das Künstlerische ist. Denn man kann nicht einfach nur für die Wahrheit und auf bestimmte Ziele hin leben … es braucht auch etwas Überflüssiges, etwas Auffälliges und Glitzerndes, auch wenn es nur Ramsch ist. Die meisten Menschen vermögen nicht ohne das Schöne, Betörende zu leben. Etwas braucht es, eine Ansichtskarte zu sechs Fillér, die den flammenden Sonnenuntergang zeigt oder die Morgenröte über dem Wald. Wir sind so. Die Armen auch.
Die Frau aber, die im Zimmer vor der abgeschlossenen Tür stand, die war nicht so.
Die Frau, die in diesem Zimmer lebte, hatte bewußt und absichtlich auf jeglichen Luxus, jedes billige Blendwerk, jeden schäbigen Flitterkram verzichtet. Es war zu spüren, daß hier jemand lebte, der sich streng und unerbittlich alles versagte, was die Welt in ihrem Überfluß gnädig fallenließ. Ja, es war ein strenges Zimmer. Hier wurde nicht geträumt, nicht gefaulenzt, nicht herumgelegen. Hier lebte eine Frau wie unter einem Gelübde. Doch das Gelübde, die Frau und das Zimmer waren nicht sympathisch. Deshalb hatte ich Angst.
Das war nicht die Behausung eines munteren Hauskätzchens, das die Seidenstrümpfe und die abgelegten Kleider der Herrschaft trägt, sich heimlich das Parfum des Fräuleins anspritzt und mit dem Hausherrn schäkert. Die Frau, die da stand, war nicht der böse Geist des Haushalts, die heimliche Geliebte, die Sirene der verdorbenen, verkommenen Bürgerhäuser. Nein, diese Frau war nicht die Geliebte meines Mannes gewesen, auch wenn sie seine Bilder in einem Amulett an einem violetten Band um den Hals trug. Weißt du, wie diese Frau war? Ich will dir sagen, was für ein Gefühl ich hattte: daß sie unsympathisch, aber gleichrangig war. Ebenso begeisterungsfähig, gefühlsbetont, stark, eigenständig, sensibel und leidensfähig wie ich, wie alle Menschen, die sich ihre Würde bewahren.
Ich saß auf dem Stuhl, in der Hand das violette Band mit dem Amulett, und brachte kein Wort heraus.
Auch sie sagte nichts. Aufgeregt war sie auch nicht. Sie hielt sich gerade, mit breiten Schultern, nicht dünn, auch nicht besonders schlank, aber wohlproportioniert. Wenn sie am Abend zuvor in das Haus mit den berühmten Männern und schönen Frauen getreten wäre, hätte man ihr nachgeblickt und gefragt: Wer ist diese Frau? Und alle hätten das Gefühl gehabt: eine Persönlichkeit. Sie hatte einen Wuchs und eine Figur, die man fürstlich zu nennen pflegt. Ich hatte schon Fürstinnen gesehen, aber keine hatte eine fürstliche Figur gehabt. Die da hingegen schon. Und noch etwas war in ihren Augen, in ihrem Gesicht, um sie herum, in den Gegenständen, in der Einrichtung des Zimmers und in seiner Atmosphäre, etwas, das mir Furcht einflößte. Vorhin habe ich gesagt, es sei wegen des bewußten Verzichts gewesen. Aber unter diesem Verzicht war eine krampfhafte Erwartung. Eine Bereitschaft. Die Forderung: alles oder nichts. Ein lauernder Instinkt, der jahrelang, jahrzehntelang nicht aufgibt. Eine nie nachlassende Aufmerksamkeit. Ein Verzicht, der nicht selbstlos und demütig ist, sondern hochmütig und stolz. Warum heißt es immer, die Adligen seien hochmütig? Ich habe so viele Grafen, so viele Herzoginnen gekannt, und niemand von ihnen war hochmütig. Sie waren eher unsicher und ein bißchen schuldbewußt, wie alle wirklich großen Herrschaften. Diese Tochter transdanubischer Knechte hingegen war weder schuldbewußt noch demütig, wie sie mich da fixierte. In ihrem Blick war ein kalter Glanz. Wie von Messern, mit denen man zur Jagd geht. Dabei war sie völlig gefaßt und anständig. Sie sagte nichts, rührte sich nicht, zuckte nicht mit der Wimper. Sie war eine Frau und erlebte jetzt den großen Moment ihres Lebens. Lebte ihn mit ganzer Seele, ganzem Leib und ihrem ganzen Schicksal.
Gästezimmer in einem Kloster, habe ich es so gesagt? Na ja, das auch. Aber auch Käfig, der Käfig eines wilden Tiers. Seit sechzehn Jahren lebte sie, kreiste sie in einem solchen oder ähnlichen Käfig, ein edles wildes Tier, ganz aus Leidenschaft und Erwartung. Und jetzt war ich zu ihr in den Käfig getreten, und wir sahen uns an. Nein, diese Frau ließ sich nicht mit Firlefanz bestechen oder abspeisen. Die wollte das ganze Leben, das Schicksal mit allen seinen Gefahren. Sie konnte warten. Sie wartete gut, dachte ich anerkennend, und es überlief mich ein Schauder.
Noch immer lag das violette Band mit dem Amulett in meinem Schoß. Ich saß dort wie
Weitere Kostenlose Bücher