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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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vom Schlag getroffen.
    »Bitte«, sagte sie endlich, »geben Sie mir die Bilder zurück.«
    Und als ich mich nicht rührte: »Das eine«, sagte sie, »das vom letzten Jahr gebe ich zurück, wenn Sie wollen. Aber das andere gehört mir.«
    Sie sagte das im Ton des Besitzanspruchs und des Urteils. Ja, das andere Bild war sechzehn Jahre zuvor entstanden, als ich Péter noch nicht gekannt hatte. Sie hingegen schon, und zwar besser, als ich je danach. Ich schaute noch einmal auf die beiden Bilder und reichte ihr dann wortlos das Amulett.
    Auch sie betrachtete die Bilder, lange und gründlich, als ob sie sich überzeugen wollte, daß ihnen nichts geschehen war. Sie ging zum Fenster, zog unter dem Bett einen abgewetzten Koffer hervor, nahm aus der Schublade des Nachttischs einen winzigen Schlüssel, machte den Koffer auf und verschloß darin das Amulett. Das alles langsam, ohne Aufregung und Hast, als hätte sie Zeit. Ich beobachtete alle ihre Bewegungen. Und undeutlich fiel mir ein, daß sie vorhin, als sie die Bilder zurückhaben wollte, mich nicht mehr gnädige Frau genannt hatte.
    Und noch etwas fühlte ich in jenen Augenblicken. Es sind viele Jahre vergangen, ich sehe jetzt das Ganze deutlicher. Es war ein Gefühl, das mich ganz ausfüllte und mir sagte, daß in all dem, was ich gerade erlebte, nichts Besonderes war. Irgendwie hatte ich das alles schon im voraus gewußt. Natürlich wäre ich überrascht gewesen, wenn mir Lázár am Vorabend ganz einfach gesagt hätte, daß die Frau mit dem violetten Band, die ich auf Tod und Leben suche, hier in der Nähe lebte, ein paar Straßen weiter, in der Wohnung meiner Schwiegermutter, und daß ich sie schon oft gesehen und auch mit ihr geredet hatte, und wenn ich mich eines Tages aufmachte, um wie eine Besessene die große Gegenspielerin meines Lebens zu suchen, so würde mich gleich mein erster Weg zu ihr führen. Klar, wenn mir das jemand am Vorabend prophezeit hätte, so hätte ich gesagt, wir sollten lieber das Thema wechseln, denn ich wolle nicht über die ernsten Belange des Lebens Scherze machen. Aber jetzt, da alles so einfach vor sich gegangen war, staunte ich nicht mehr. Die Inszenierung überraschte mich nicht. Die Person auch nicht. Von Judit hatte ich in all den Jahren nur gewußt, daß es sie gab und daß sie »hervorragend« war, die Stütze meiner Schwiegermutter, fast ein Familienmitglied und ein Wunder an Gehorsam. Doch in dem Augenblick spürte ich, daß ich die ganze Zeit noch mehr von ihr gewußt hatte: alles. Nicht in Worten und nicht mit meinem Verstand. Mit den Gefühlen, mit meinem Schicksal hatte ich in jenen Jahren alles von ihr und von mir gewußt, auch wenn ich kaum mehr zu ihr gesagt hatte als »Guten Tag« und »Sind sie zu Hause?« und »Bitte ein Glas Wasser«.
    Alles hatte ich gewußt – und ihr vielleicht deshalb nie ins Gesicht geblickt. Ich hatte Angst gehabt. Eine Frau lebte am anderen Ufer des Lebens, tat ihre Arbeit, wartete und wurde älter, so wie ich. Und auch ich lebte, am gegenüberliegenden Ufer, und wußte nicht, warum mein Leben unvollständig und unerträglich war, woher das Etwas-stimmt-nicht-Gefühl stammte, das meine Tage und Nächte durchdrang wie ein heimlicher, bösartiger Strahl. Ich hatte nichts von meinem Mann und nichts von Judit gewußt. Aber es gibt im Leben Momente, in denen man begreift, daß das Unmögliche, Unsinnige, Unfaßbare in Wirklichkeit so gewöhnlich wie einfach ist. Auf einmal sehen wir den Mechanismus des Lebens: Gestalten, die wir für wichtig gehalten haben, verschwinden in der Versenkung, aus dem Hintergrund treten andere hervor, von denen wir nichts Bestimmtes wußten, und plötzlich, im Augenblick ihres Auftritts, wird uns klar, daß wir sie erwartet haben und sie uns, mit ihrem ganzen Schicksal.
    Und alles in allem war das Ganze tatsächlich so, wie Lázár gesagt hatte: banal.
    Ein Bauernmädchen bewahrt in einem Medaillon, das sie um den Hals trägt, die Photographien meines Mannes auf. Sie war fünfzehn Jahre alt, als sie vom Land in die Stadt kam, in ein herrschaftliches Haus. Selbstverständlich verliebte sie sich in den jungen Herrn. Der junge Herr heiratete und zog weg. Manchmal sehen sie sich noch, aber sie haben nichts mehr miteinander zu tun. Zwischen dem Mädchen und dem Mann wird der Klassenunterschied zu einer immer größeren Kluft. Die Zeit vergeht. Der Mann wird älter. Das Mädchen ist schon fast eine alte Jungfer. Sie hat nie geheiratet. Warum nicht?
    Als ob ich laut gedacht

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