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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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glauben.«
    Und kurz darauf: »Dann sag ich’s eben.« Sie atmete schwer. »Er wollte mich heiraten.«
    »Ja«, sagte ich, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. »Wann war das?«
    »Vor zwölf Jahren, im Dezember. Und später auch noch. Noch zwei Jahre lang.«
    »Wie alt waren Sie da?«
    »Achtzehn vorbei.«
    Mein Mann war also vierunddreißig in jenem Jahr. Ich fragte unvermittelt: »Haben Sie ein Bild aus der Zeit?«
    »Von ihm?« fragte sie erstaunt. »Ja. Sie haben es vorhin doch gesehen.«
    »Nein«, sagte ich. »Von Ihnen, Judit.«
    »Ach so«, sagte sie mit einem verdrossen-ordinären Tonfall. »Hätt’ ich schon.«
    Sie zog die Schublade des Nachttischs heraus und holte ein Schulheft mit Pepitamuster hervor, weißt du, so ein Heft für Schreibübungen, wie wir sie im Internat gebrauchten, um die Vokabeln der La-Fontaine-Fabeln zu lernen. Sie suchte in dem Heft herum. Heiligenbilder steckten darin, aus Zeitungen ausgeschnittene Inserate. Ich stand auf und blickte ihr über die Schulter, während sie blätterte.
    Die Heiligenbilder stellten den heiligen Antonius von Padua und den heiligen Joseph dar. Sonst aber hatte alles einen direkten oder indirekten Bezug zu meinem Mann. Sie hatte aus den Zeitungen die Reklamen der Fabrik meines Mannes ausgeschnitten. Und die Rechnung für einen Zylinder, von einem der Hutmacher in der Innenstadt, steckte ebenfalls hier. Dann die Todesanzeige meines Schwiegervaters. Und die Anzeige auf Büttenpapier, die unsere Hochzeit bekanntmachte.
    Das alles blätterte sie beinahe gleichgültig und ein bißchen müde durch, als hätte sie den ganzen Kram schon oft gesehen und wäre seiner überdrüssig, ohne ihn loswerden zu können. Jetzt sah ich mir zum erstenmal ihre Hände an: starke, knochige, lange Hände mit sorgfältig geschnittenen, wenn auch nicht manikürten Fingernägeln. Auch die Finger waren lang und kräftig.
    Sie hob ein Bild in die Höhe. »Da«, sagte sie und lächelte schief.
    Das Bild stellte Judit Áldozó dar, im Alter von achtzehn Jahren, als mein Mann sie heiraten wollte.
    Das Bild war bei einem kleinen Photographen in der Innenstadt entstanden, der auf der Rückseite seines Werks in Goldlettern versprach, jegliches glückliche Familienereignis detailgetreu zu verewigen. Die Photographie war ein gekünsteltes Machwerk: Unsichtbare Eisenstangen zwangen einen Mädchenkopf, sich in eine bestimmte Richtung zu wenden und einen Punkt in der Ferne zu fixieren, mit erschrecktem, glasigem Blick. Judit hatte auf diesem Bild ihre beiden Zöpfe um den Kopf gewunden wie die Königin Elisabeth. Ihr stolzes, erschrockenes Bauernmädchengesicht blickte hilfesuchend.
    »Geben Sie her«, sagte sie dann hart, nahm mir das Bild weg und steckte es wieder ins Pepitaheft, wie um eine Privatsache vor der Welt zu verschließen.
    »So habe ich ausgesehen«, sagte sie. »Da war ich schon drei Jahre hier. Er hat nie mit mir gesprochen. Einmal hat er gefragt, ob ich lesen kann. Ich habe gesagt: Ja. Er hat gesagt: Gut. Aber ein Buch hat er mir nie gegeben. Wir haben nie gesprochen.«
    »Was war es dann?« fragte ich.
    »Nichts.« Sie zuckte die Achseln. »Nur das.«
    »Haben Sie es gewußt?«
    »Man weiß es.«
    »Das stimmt«, seufzte ich. »Und dann?«
    »Am Ende des dritten Jahres«, sagte sie jetzt langsam und stockend, nach oben blickend, an den Schrank gelehnt, und sie hatte den gleichen glasigen, ein bißchen verstörten Blick wie auf dem Bild. »An einer Weihnacht hat er mit mir gesprochen. Im Salon, am Nachmittag. Er hat viel geredet. Er war sehr nervös. Ich habe ihm zugehört.«
    »Ja«, sagte ich und schluckte.
    »Ja«, sagte sie und schluckte auch. »Er hat gesagt, er wisse, daß das sehr schwierig ist. Und er wolle nicht, daß ich seine Geliebte werde. Er wollte, daß wir zusammen ins Ausland fuhren. Nach Italien«, sagte sie, ihr angespanntes Gesicht lockerte sich, und sie begann mit glänzenden Augen zu lächeln, als verstände sie die volle Bedeutung dieses wunderbaren Wortes, als wäre es das Höchste, das ein Mensch im Leben sagen oder hoffen kann.
    Und beide blickten wir unwillkürlich auf das Titelblatt der eselsohrigen Reisebroschüre, auf dem sich das Meer kräuselte und Kinder im Sand spielten. Zu so viel Italien hatte es für sie gereicht.
    »Und Sie wollten nicht?«
    »Nein«, sagte sie mürrisch.
    »Warum nicht?«
    »Einfach so«, sagte sie streng. Dann ein bißchen unsicherer: »Ich hatte Angst.«
    »Wovor?«
    »Vor allem.« Sie zuckte mit den

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