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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Achseln.
    »Davor, daß er ein Herr ist und Sie ein Dienstmädchen?«
    »Ja, auch davor«, sagte sie gehorsam und blickte mich beinahe dankbar an, als wäre sie froh, daß ich an ihrer Stelle das Geständnis ausgesprochen und in Worte gefaßt hatte. »Ich hatte immer Angst. Aber auch vor anderem. Ich spürte, daß das Ganze nicht richtig war. Er stand zu hoch über mir.« Sie schüttelte den Kopf.
    »Hatten Sie Angst vor der gnädigen Frau?«
    »Vor ihr? Nein«, sagte sie und lächelte wieder. Man sah ihr an, daß sie mich für begriffsstutzig hielt, für jemanden, der in bezug auf die wahren Geheimnisse des Lebens völlig ahnungslos ist, und sie begann einfach und belehrend zu mir zu sprechen wie zu einem Kind. »Vor ihr hatte ich keine Angst. Sie wußte es ja.«
    »Die gnädige Frau?«
    »Ja.«
    »Wer wußte es noch?«
    »Nur sie und sein Freund. Der Schriftsteller.«
    »Lázár?«
    »Ja.«
    »Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?«
    »Der Schriftsteller? … Ja. Ich war einmal bei ihm.«
    »Warum?«
    »Weil er es so wollte … Der Herr Gemahl.«
    Die Bezeichnung war abweichend, gleichzeitig höhnisch und unerbittlich. Gemeint war: »Für mich ist er so, wie er wirklich ist. Ich weiß das. Für dich ist er bloß der Gemahl.«
    »Na schön«, sagte ich. »Es haben also zwei davon gewußt. Meine Schwiegermutter und der Schriftsteller. Und was hat er gesagt?«
    »Nichts«, sagte sie. »Er hat mir einen Platz angeboten, und dann hat er mich bloß angeschaut und geschwiegen.«
    »Lange?«
    »Ziemlich lange. Er«, wieder dieses langgezogene »er«, »wollte, daß der Schriftsteller mit mir sprach, daß er mich sah. Daß er mich überredete. Aber er hat nichts gesagt. Im Zimmer waren viele Bücher. So viele Bücher hatte ich noch gar nie gesehen. Er hat sich nicht gesetzt, sondern nur gestanden, gegen den Ofen gelehnt. Er hat mich bloß angeschaut und geraucht. Bis es dunkel wurde. Erst da hat er sich hören lassen.«
    »Was hat er gesagt?« fragte ich. Ich sah die beiden vor mir, Lázár und Judit Áldozó, im dunkel werdenden Zimmer, wie sie zwischen den »vielen Büchern« stumm um die Seele meines Mannes rangen.
    »Er hat nichts gesagt. Sondern bloß gefragt, wieviel Land wir haben.«
    »Wieviel hat Ihre Familie denn?«
    »Acht Morgen.«
    »Wo?«
    »Im Komitat Zala.«
    »Und dann?«
    »Dann hat er gesagt, das sei wenig. Da wir doch zu viert sind.«
    »Ja«, sagte ich rasch und verlegen. Ich verstehe nichts davon. Aber daß das wenig war, verstand sogar ich.
    »Und dann?«
    »Dann hat er geläutet und gesagt: ›Sie können gehen, Judit Áldozó.‹ Und kein Wort mehr. Aber da habe ich schon gewußt, daß aus der Sache nichts wird.«
    »Weil er es nicht erlaubte?«
    »Er nicht, und die ganze Welt nicht. Und auch wegen anderem. Und weil ich es nicht will. Wie eine Krankheit«, sagte sie und schlug auf den Tisch.
    Ich erkannte sie gar nicht wieder. Sie schien fast zu explodieren. Ihre Glieder zuckten energiegeladen. Es war eine Kraft in ihr wie in einem Wasserfall. Sie sprach leise und schien doch zu schreien. »Wie eine Krankheit, so war das alles. Dann habe ich nicht mehr gegessen, ein Jahr lang, bloß ein wenig Tee getrunken. Aber bitte nicht zu glauben, ich hätte es ihm angehungert«, sagte sie rasch und hob die Hände aufs Herz.
    »Was?« fragte ich verblüfft. »Angehungert? Was heißt das?«
    »Auf dem Dorf hat man das gemacht, früher«, sagte sie gesenkten Blickes, als wäre es nicht ganz recht, einem Fremden die Stammesgeheimnisse zu verraten. »Jemand schweigt und ißt nicht, bis der andere es tut.«
    »Was tut?«
    »Na eben das, was der andere will.«
    »Und das geht?«
    Sie zuckte mit den Achseln: »Ja. Aber es ist eine Sünde.«
    »So«, sagte ich, und ich wußte, daß sie, was immer sie jetzt erzählte, meinem Mann »es« heimlich doch »angehungert« hatte.
    »Aber Sie haben diese Sünde nicht begangen?«
    »Nein, nie«, sagte sie rasch und schüttelte den Kopf, wobei sie errötete, was doch eher wie ein Geständnis wirkte. »Weil ich da nichts mehr wollte. Weil das Ganze wie eine Krankheit war. Ich konnte nicht schlafen, und einen Ausschlag habe ich bekommen, im Gesicht und auf den Oberschenkeln. Und Fieber. Lange. Die gnädige Frau hat mich gepflegt.«
    »Und was hat sie gesagt?«
    »Nichts«, sagte sie mild und verträumt. »Sie hat geweint. Aber nichts gesagt. Als ich Fieber hatte, gab sie mir in einem Löffel Zuckerwasser die Medizin. Einmal hat sie mir einen Kuß gegeben«, sagte sie und blickte

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