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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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nicht gleich explodiert. Wir horchten stumm auf das Klopfen unserer Herzen und auf das Ticken der unsichtbaren Höllenmaschine. Sie tickte noch lange … noch zwei Jahre lang, erst dann ist sie explodiert.
    Aus dem Flur kamen Geräusche, meine Schwiegermutter war heimgekehrt, Judit ging auf Zehenspitzen zur Tür und schloß sie vorsichtig auf, mit der lautlosen Geschicklichkeit eines Einbrechers. Die Tür öffnete sich, meine Schwiegermutter stand auf der Schwelle, in Pelzmantel und Hut, so wie sie aus der Stadt nach Hause gekommen war.
    »Du bist auch da?« fragte sie, und ich sah, daß sie erbleichte.
    »Wir haben uns unterhalten, Mama«, sagte ich.
    Wir standen im Dienstmädchenzimmer, die drei Frauen, die in seinem Leben eine Rolle spielten, wie die drei Parzen in einem lebenden Bild. Das kam mir in den Sinn, und in meiner Qual begann ich nervös zu lachen. Es verging mir aber gleich wieder, denn meine Schwiegermutter, sehr blaß, setzte sich auf den Rand von Judits Bett, vergrub das Gesicht in den behandschuhten Händen und begann lautlos, mit zuckenden Schultern zu weinen.
    »Bitte nicht zu weinen«, sagte Judit. »Sie hat geschworen, daß sie ihm nichts sagt.«
    Sie schaute mich langsam und aufmerksam von Kopf bis Fuß an und ging dann aus dem Zimmer.
    Nach dem Mittagessen rief ich bei Lázár an. Er war nicht zu Hause, der Diener nahm ab. Gegen halb fünf klingelte mein Telephon. Es war Lázár, der sich aus der Stadt meldete. Er schwieg lange, als wäre er sehr weit entfernt, auf einem anderen Stern, und müßte mein Anliegen, das doch wirklich einfach war – ich wollte mit ihm reden, und zwar sofort –, lange erwägen. »Soll ich bei Ihnen vorbeikommen«, fragte er schließlich verdrossen.
    Das hatte aber keinen Sinn, denn mein Mann konnte jeden Augenblick nach Hause kommen. Und in einem Kaffeehaus oder einer Konditorei konnte ich ihm kein Rendezvous geben.
    Schließlich sagte er unwirsch: »Wenn Sie es wünschen, gehe ich nach Hause und erwarte Sie in meiner Wohnung.«
    Ich war froh über das Angebot. Und dachte wirklich nichts dabei. Ich war in jenen Tagen, und besonders in jenen Stunden nach dem vormittäglichen Gespräch, in einem so außergewöhnlichen Seelenzustand wie jemand, der sich ununterbrochen auf den gefährlichen Pflastern des Lebens bewegt, zwischen Zuchthäusern und Krankenhäusern, wo das Leben andere Regeln kennt als in den Häusern der Innenstadt und ihren Salons. Und zu Lázár ging ich auch in einem Gefühl, mit dem man in den besonderen Augenblicken des Lebens auf die Notfallstation oder zur Polizei geht. Erst als ich bei ihm klingelte, machte mich das Zittern meiner Hand darauf aufmerksam, daß ich auf ungewohnten und vielleicht nicht ganz korrekten Wegen ging.
    Er machte selbst auf, küßte mir wortlos die Hand und führte mich in ein großes Zimmer.
    Er wohnte im vierten Stock eines neuen Hauses am Donauufer. Alles in diesem Haus war brandneu, modern und bequem. Nur die Einrichtung der Wohnung war veraltet, auf ländliche Art altmodisch. Ich blickte mich um und staunte. Zwar war ich beklommen und aufgeregt, aber gleichzeitig fielen mir auch die Einzelheiten der Einrichtung auf, denn weißt du, man ist ja so komisch, ich glaube, auch wenn man zum Galgen geführt wird, fallen einem noch irgendwelche Details auf, ein Vogel auf einem Baum oder ein Pickel auf dem Gesicht des Richters, der das Todesurteil verliest … Also, diese Wohnung. Ich hatte das Gefühl, am falschen Ort geklingelt zu haben. Insgeheim hatte ich mir Lázárs Wohnung schon oft vorgestellt, ich weiß nicht, vielleicht erwartete ich eine Indianereinrichtung, irgendwie einen Wigwam mit vielen Büchern und den Skalps schöner Frauen und lieber Freunde. Aber nichts dergleichen. Es standen gediegene, mit Spitzendeckchen geschmückte Kirschbaummöbel aus dem letzten Jahrhundert herum, so wie in den guten Stuben auf dem Land, du weißt doch, die unbequemen Stühle mit den geschwungenen Rückenlehnen, und eine Vitrine, voll mit kleinbürgerlichem Kram, Gläsern aus Marienbad und Porzellantieren. Das Wohnzimmer war wie der Salon eines mittelmäßig verdienenden Anwalts, der vom Land in die Hauptstadt gekommen war; die Möbel hatte die Frau in die Ehe gebracht, und neue zu kaufen war noch nicht möglich gewesen. Hier aber war nicht die geringste Spur einer Frauenhand, und soviel ich wußte, war Lázár reich.
    Mich führte er nicht in das Zimmer mit den »vielen Büchern«, wo er Judit empfangen hatte. Er behandelte mich

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