Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
leiden. Und als eines Tages Judit Áldozó auftauchte, die vermeintlich Richtige, die jetzt nach Toilettenwasser von Atkinson roch und sich am Telephon mit »hello« meldete, da haben wir uns eben scheiden lassen. Eine schwierige Scheidung, wie gesagt, sogar den Flügel habe ich mitgenommen.
Er hat sie nicht gleich geheiratet, sondern erst nach einem Jahr. Wie sie miteinander auskommen? … Gut, glaube ich. Du hast ja vorhin gesehen, er bringt ihr kandierte Orangenschalen mit.
Bloß ist er alt geworden. Nicht sehr, aber auf so traurige Art. Was meinst du, ob er es jetzt weiß? … Ich fürchte, es wird zu spät sein, wenn er es erfährt; inzwischen geht das Leben vorbei.
So, jetzt schließen die da aber wirklich.
Bitte? … Was sagst du? Warum ich vorhin geweint habe, als ich ihn sah? Wenn es doch keinen Richtigen gibt, wenn doch alles zu Ende ist und ich völlig geheilt bin, warum ich mir dann die Nase pudern mußte, als ich hörte, daß er die Brieftasche aus braunem Krokodilleder immer noch hat? Wart mal, ich muß nachdenken. Ich glaube, ich weiß die Antwort. Ich habe mir in meiner Verlegenheit die Nase pudern müssen, weil es zwar den Richtigen nicht gibt, weil die Illusionen verfliegen, weil ich ihn aber liebe, und das ist etwas anderes. Wenn man jemanden liebt, klopft einem das Herz immer, wenn man von ihm hört oder ihn sieht. Ich glaube nämlich, daß alles vergeht, nicht aber die Liebe. Aber das hat überhaupt keine praktische Bedeutung mehr.
Auf Wiedersehen, Liebes. Auf nächsten Dienstag, ja? Wir plaudern doch so angenehm miteinander. Gegen Viertel nach sechs, wenn das für dich geht. Jedenfalls nicht viel später. Ich werde um Viertel nach sechs bestimmt schon hier sein.
Z WEITER T EIL
D u, schau dir mal die Frau dort an. Jetzt ist sie an der Drehtür. Die Blonde mit dem runden Hut? … Nein, die Große mit dem Nerzmantel – ja, die schwarzhaarige große Frau ohne Hut. Jetzt steigt sie in den Wagen. Der untersetzte Mann hält ihr die Tür auf, stimmt’s? Vorhin saß sie mit ihm am Ecktisch. Ich habe sie schon beim Hereinkommen gesehen, aber ich wollte nichts sagen. Sie haben uns wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Jetzt, wo sie gegangen sind, kann ich dir ja verraten, daß das der Mann ist, mit dem ich mein peinliches, dummes Duell hatte.
Wegen der Frau? … Ja, natürlich wegen der Frau.
Und doch ist auch das nicht ganz sicher. Ich hatte das Gefühl, ich müsse jemanden umbringen. Vielleicht gar nicht diesen kleinen Untersetzten. Der ging mich nichts an. Aber er war gerade zur Hand.
Ob ich sagen darf, wer die Frau ist? … Aber sicher, alter Freund. Sie ist meine Frau gewesen. Nicht die erste, sondern die zweite. Wir sind seit drei Jahren geschieden. Seit dem Duell.
Laß uns noch eine Flasche trinken, ja? … Nach Mitternacht wird dieses Kaffeehaus auf einmal so leer und kalt. Zuletzt war ich als Student hier, zur Karnevalszeit. Damals kamen auch Frauen in diese berühmten Säle, bunte Nachtvögel, schillernd und amüsant. Dann bin ich jahrzehntelang nicht mehr hergekommen. Die Zeit verging, das Lokal ist aufgeputzt worden, auch das Publikum ist heute ein anderes. Jetzt kommt nachts die große Welt hierher … du weißt ja, die Leute, die man so nennt. Ich ahnte natürlich nicht, daß auch meine Exfrau in diesem Lokal verkehrt.
Das ist ein schöner Wein. So hellgrün wie der Plattensee vor dem Sturm. Prosit.
Ich soll erzählen? … Wenn du darauf bestehst.
Es ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn ich es einmal jemandem erzähle.
Du hast meine erste Frau nicht gekannt? Nein, stimmt, du warst ja damals in Peru, beim Eisenbahnbauen. Du hast Glück gehabt, daß du gleich im ersten Jahr nach dem Diplom in die große wilde Welt hinausgeraten bist. Ich muß gestehen, daß ich dich manchmal beneidet habe. Wenn mich damals die Welt ebenfalls gerufen hätte, wäre ich heute vielleicht ein glücklicherer Mensch. So bin ich dageblieben und habe etwas gehütet … Eines Tages bin ich müde geworden, und jetzt hüte ich nichts mehr. Was habe ich gehütet? Die Fabrik? Eine Lebensform? Ich weiß nicht recht. Ich hatte einen Freund, Lázár, den Schriftsteller, du kennst ihn nicht? Hast nie von ihm gehört? Glückliches Land, Peru! Ich habe ihn gut gekannt. Eine Zeitlang glaubte ich, er sei mein Freund. Er behauptete immer, ich sei ein Wächter, der Wahrer einer verschwindenden Lebensform, ein Bürger. Deshalb bin ich zu Hause geblieben, meinte er. Aber auch das ist nicht ganz sicher.
Nur die
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