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Wanja und die wilden Hunde

Wanja und die wilden Hunde

Titel: Wanja und die wilden Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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Trinkwasser aus dem Nachbardorf Demuschkina führen. Die Pumpen werden elektrisch betrieben und sind täglich bis elf Uhr in Betrieb. Jedes Haus besitzt einen großen Wasserzuber, der sechs Eimer Wasser fasst, die für den Tag benötigt werden. Wer Brunnen und Pumpe direkt vor seinem Haus hat, hat Glück. Viele Babuschkas jedoch müssen bis zu dreihundert Meter mit der schweren Last zurücklegen. Zwei volle Eimer tragen hier von den Frauen nur noch die Jüngeren, also die unter 70-Jährigen. Die älteren Frauen tragen zwei halbvolle Eimer, und die ganz alten gehen mit zwei 3-Liter-Milchkännchen los.
    Als ich Baba Olga, die fünfundneunzig Jahre alt ist, das erste Mal anbiete, ihr doch schnell den Zuber zu füllen, damit sie nicht 30-mal mit dem Milchkännchen die Strecke laufen muss, wehrt sie entsetzt und entschieden ab: »Nein, nein. Das kann ich noch selbst!«

    Dorfbrunnen auf dem Weg
    Ein paar Stunden später gehe ich wieder an ihrem Haus vorbei. Sie winkt aus dem Fenster und ruft stolz: »Ich habe den ganzen Zuber voll.« Mir wird klar, dass ich sie mit meinem übereilten Hilfsangebot um genau diesen Stolz gebracht hätte. Es ist hier nicht so wichtig, wie lange jemand für etwas braucht, sondern dass er es überhaupt noch schafft.
    Alte dürfen hier langsam sein.
    Im Sommer muss nun nicht nur Wasser für das Haus, sondern auch noch für den Garten herangetragen werden. Vieles verdorrt, weil die meisten Menschen die zusätzliche Schlepperei nicht bewerkstelligen können. Hält die Dürre an, sind auch die Felder mit der Ernte in Gefahr.
    Die Gespräche drehen sich im Sommer vorwiegend um das Wetter, das Wachsen der Kartoffeln, der Tomaten und Gurken und um die Gesundheit der Tiere und deren Arbeitsleistung. Die Hühner legen in der Hitze schlecht. Kühe und Pferde werden von riesigen Bremsen gepeinigt.

    Wanja und ich mit dem geborgten Schwarzen
    Der klapprige Schwarze von Kolja hat überall entzündete Hautstellen. Jeden Dienstag kommt zu seinen alltäglichen Aufgaben noch ein zusätzlicher schwerer Arbeitseinsatz dazu.
    Das Brot für das ganze Dorf wird von den Bäuerinnen Walja und Dina in der ehemaligen Mühle im Wald gebacken. Diese Mühle ist für viele Einwohner Lipowkas sehr weit entfernt, und so bringt Bauer Kolja mit dem Schwarzen die gesamte Fuhre zum ehemaligen Laden ins Dorf. Dieser ist zentral gelegen und für alle besser zu erreichen als die Mühle.
    Die Babuschkas tragen an diesen Tagen frische weiße Kopftücher, und einige wenige, wie die Dorfälteste Baba Luba, haben Ohrringe angelegt. Es ist der Tag, an dem sich auch Dorfbewohner treffen, die sich ansonsten nicht mehr sehen, weil das Dorf sich über viele Kilometer erstreckt. Früher traf man sich bei der gemeinsamen Arbeit in der Kolchose und zu den zahlreichen Festen im Dorf. Geburtstage, Taufen, Hochzeiten, kirchliche Feiertage und jahreszeitliche Feste gaben genügend Anlässe zur Geselligkeit. Heute reicht die Kraft der verbliebenen Alten gerade noch für ihre Arbeit, und man trifft sich nur noch zum gemeinsamen Fernsehen oder beim Brotverkauf. Da ist man dankbar für alle Neuigkeiten, die es auszutauschen gibt.
    Auch die Ankunft Koljas, der den Nachnamen des amtierenden russischen Präsidenten – Jelzin – trägt, wird als Ereignis gesehen.
    Die Babuschkas warten mitunter zwei Stunden auf den Pferdekarren. Sie stehen entspannt an die Wände des großen, leeren Ladens gelehnt, kauen Sonnenblumenkerne, deren Schalen sie lässig auf den Boden spucken, plaudern und scherzen.
    Dann ist es so weit. Auftritt Kolja.
    » Brrr, mal’tschik !« (»Brrr, Junge!«) Es klappert vor dem Laden. Der Karren hält. In die Babuschkas kommt Bewegung.
    »Na, mal sehen, was die Regierung uns heute bringt«, sagt Baba Galja lachend.
    Alle schmunzeln.
    Kolja Jelzin kommt in den Laden.
    »Na, was hast du dem russischen Volk heute zu bieten?«, ruft Baba Vera.
    Kolja ist die Wiederholung dieser immer gleichen Szene offenbar sehr peinlich, und er fährt sich hilflos durch sein verstrubbeltes Haar. »Frauen, an das Brot. Dawai «, sagt er, um abzulenken, und meint damit, dass man eine Kette von drinnen nach draußen bilden solle.
    Während dies geschieht, wird Kolja weiter geneckt.
    »Wenn du nicht immer so betrunken wärst, würde Russland vielleicht wieder stark werden.«
    Kolja wird rot wie ein Schuljunge, was die alten Frauen erst richtig in Form bringt.
    »Ein Zar müsste wieder her. Willst du nicht Zar werden, Kolja?«
    Er winkt ab. »Ist ja gut, gebt

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