Wanja und die wilden Hunde
schlagen, damit die Stämme gut anliegen, nagle ich die runden Stämme einfach wie sie sind gegen die runden Pfosten. Das ergibt nur eine winzige Auflagefläche von vielleicht einem Zentimeter, aber der Nagel wird es schon zusammenhalten, denke ich.
Bauer Petja kommt vorbei. Kritisch betrachtet er mein Werk und fragt: »Warum hast du das denn nicht richtig gemacht?«
»Das mache ich später einmal. Jetzt habe ich keine Zeit dazu«, versuche ich mir mit schlechtem Gewissen das Thema vom Hals zu schaffen.
Verblüfft schaut er mich an: »Später? Für alles, was du nicht gleich richtig machst, hast du nie wieder Zeit.«
Da zu diesem Zeitpunkt noch ein Reflex aus früheren Zeiten in mir lebt, der bei Zurechtweisungen oder Belehrungen automatisch Widerstand in mir hervorruft, lasse ich den Zaun gerade so, wie er ist, nur um beweisen zu können, dass meine schlampige Konstruktion selbstverständlich halten wird.
Am Nachmittag pflanze ich die Blumensamen in die Erde.
Baba Nastja kommt vorbei und fragt: »Was pflanzt du denn da?«
»Blumen«, erwidere ich strahlend.
»Für was?«, fragt sie ratlos.
»Na, damit es schön aussieht!«, antworte ich, nun meinerseits ratlos über den offensichtlich nicht vorhandenen Schönheitssinn der Bauern.
Baba Nastja zeigt mit den Händen in alle Himmelsrichtungen und erwidert entrüstet: »Aber Schönheit ist hier doch überall!«
Mein Koppelzaun um das Blumenbeet
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Blumen zu wachsen beginnen, fällt jeder der Stämme am Zaun einmal oder sogar mehrfach herunter. Ich befestige sie jeweils mit immer längeren Nägeln, die zum Schluss aus dem Stamm ragen, sodass ich die Spitze nach unten biegen kann.
Dann ist es endlich soweit. Die ersten Sprösslinge zeigen sich. Leider entdeckt dies auch eines Abends eine nach Hause wandernde Kuh. (Einige Kühe gehen in der Früh mit dem Kuhhirten los und finden am Abend von allein zurück.)
Ich stehe gerade am Küchenfenster und koche, als die Kuh auf meinen kleinen Koppelzaun zugeht und – ohne im Laufen auch nur innezuhalten – mit ihrer Brust wie mit einem Rammbock den oberen Stamm absprengt und dann beim Einsteigen in das Beet den unteren mit einem Tritt ihres Hinterhufes zerbricht. Schmatzend genießt sie die unerwarteten Leckerbissen. Ich renne schreiend mit dem Schrubber in der Hand hinaus und stippe die Kuh mit dem Bürstenende in die Seite.
»Hej! Hau ab!«
Sie dreht mir ihr Hinterteil zu und kaut unbeeindruckt weiter.
Nachdem das kleine Beet völlig verwüstet und die Kuh verschwunden ist, setze ich mich auf das Bänkchen vor dem Haus und gebe auf.
Ich habe zwischenzeitlich mit der Reparatur des Zaunes sicher das Vierfache an Zeit zugebracht, als ich am Anfang für die richtige Bauweise gebraucht hätte. Ich reiße den Zaun, der die Schönheit schützen sollte, ab und im selben Atemzug auch meinen Gartenzaun, dessen Pfosten windschief und mit vielen Lücken in alle Richtungen zeigen.
Mit Vera baue ich einen neuen Zaun um meinen gesamten Garten, der geschätzte zweitausend Quadratmeter umfasst. Nach ungefähr fünfzig genagelten Querbalken kann ich bereits sehr flink mit einer Hand eine Kerbe mit der Axt schlagen, in die der Pfosten jeweils gut hineinpasst.
Ungefähr tausend Meter später habe ich gelernt, Freude an dieser Arbeit zu empfinden. Es ist wie mit allem: Was ich gut kann, erzeugt in mir ein Gefühl von Zufriedenheit. Und ehe ich etwas kann, muss ich üben.
In dieser Zeit sinkt das Ausmaß meiner Zigarettensucht von vierzig auf sieben Stück pro Tag, die ich vorwiegend abends rauche, wenn die Arbeit getan ist. Ich beginne zu spüren, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen meiner inneren Leere, die ich mit Qualm fülle, und der Fülle, die in mir durch eine gelungene körperliche Arbeit entsteht.
Der Frühlingsfrost verschwindet. Warme Sonnenstrahlen halten Einzug. Ich erlebe den ersten Frühling in Lipowka. Wilde Blumen, die der Wind gepflanzt hat, schmücken Wiesen, Felder und Wegränder.
Ich muss lauthals lachen über mein von der Kuh gefressenes Blumenbeet.
Sommer
Hitze
Die Sommer in Lipowka sind genauso heiß, wie die Winter kalt sind.
Fünfundvierzig Grad sind hier keine Seltenheit. Der Regen fehlt. Sonnenglut flutet die Gärten und Felder. Die Bauern klagen über die Dürre, über Kopfschmerzen und die mühevolle Bewässerung des Gartens.
Zu den Brunnen, die sich alle dreihundert Meter auf den Wegen befinden, sind zwei Jahre zuvor Pumpen gekommen, die frisches
Weitere Kostenlose Bücher