Wanja und die wilden Hunde
bereit ist. Ich habe oft erlebt, dass Hunde mit gehobenen Lefzen oder hysterisch bellend auf uns zukamen, dann verdutzt auf den Hund blickten, der grinsend von einer Spielaufforderung in die nächste sprang, und letztlich mit Bambino spielten.
Laska ist »die rechte Pfote« Wanjas, die im Hintergrund still und souverän die »Feinkorrektur« vornimmt, die Wanja mitunter vernachlässigt, wenn ihm der Anlass zu nichtig erscheint. Sie beendet aufkeimende Unruhe sofort und mit einem strengen Blick. Laska achtet auf Ruhe und Harmonie.
Andere Hunde im Rudel, die sonst keine Entscheidung für die Gruppe treffen dürfen, sind dafür wichtige Mitglieder bei der Jagd.
Auf der Jagd
Es gibt exzellente Fährtenleser wie Felix und Baba, die durch das Anzeigen eines wahrgenommenen Geruchs den Startschuss zur Jagd geben. Es gibt begabte Treiber wie Alma, Husar und Anton, die das aufgescheuchte Wild blitzschnell in ihre Mitte nehmen und es geschickt auf die Hunde zutreiben, die es zu Fall bringen und töten. Das sind häufig Wanja, Laska und Milyi.
Immer wieder jedoch bilden sich neue Konstellationen und Teams – je nach Ausgangslage und Erfolgsaussichten.
Jeder der Hunde scheint inzwischen die Signale der anderen zu kennen. So wie alle wissen, dass Felix einen Geruch in der Nase hat, wenn er leise zu »jippen« beginnt und losrennt, werden alle aufmerksam, sobald die alte Baba mit hoch in die Luft gereckter Nase aufgeregt tippelt. Sie schießt nie sofort los, sondern überprüft die Lage eine Weile – mit der Nase in der Luft. Hat sie sich dann für eine Richtung entschieden, sind die anderen oft schon dorthin unterwegs.
Die Hunde jagen vorwiegend Wühlmäuse, Ratten, Feldhamster, Hasen und Frischlinge (wenn diese ohne Aufsicht der Mutter sind). Einmal erwischen sie auch eine Gans, einen Biber und ein Rehkitz. Die Hunde, die die Jagd vollenden, töten meist durch einen einzigen, sehr kraftvollen Biss in die Kehle oder in den Nacken. Am häufigsten sehe ich dabei Wanja, Anton und Milyi.
Wenn die Hunde ein Tier aufgespürt haben, werden sie sehr still und langsam und versuchen sich der Beute unbemerkt bis auf eine geringe Distanz zu nähern. Wie auf einen gemeinsamen Startschuss hin schießen sie dann plötzlich nach vorn und erwischen das Tier entweder sofort oder folgen ihm, wenn es flieht.
Husar wird zum Raubtier
Gelingt es nach einigen hundert Metern keinem der Hunde, das Tier zu erreichen, ihm den Weg abzuschneiden oder es einzukesseln, brechen sie die Jagd ab. Bis auf Felix, der noch immer wild »jippend« und weit abgeschlagen hinter der Beute herrennt und sinnlos seine Energie verpulvert.
Bambino ist bis heute der Einzige im Rudel, der nie eine Jagd beginnt oder in spezieller Form daran teilnimmt. Er ist mit dabei und rennt planlos hin und her, das ist alles.
Einmal quert ein Hase, den die anderen gerade hetzen, genau seinen Weg. Er läuft ihm praktisch fast an der Schnauze vorbei. Bambino blickt mit großen Augen auf das hoppelnde Wesen und geht dann in eine Spielaufforderung, während der Hase bereits zweihundert Meter weiter ist.
So wenig Husar auch vom ganz normalen Leben zu verstehen scheint, bei der Jagd agiert er ruhig und konzentriert. Die sonst so scheue Alma kann bei einem Beutetier plötzlich und ohne zu zögern zupacken. Wanja ist während der Jagd Mitwirkender und kein Führender. Entscheidungen trifft immer der Hund, der gerade am Zug ist.
Als ich Milyi das erste Mal ein kleines Rehkitz töten sehe, fällt es mir sehr schwer, in ihm weiterhin den sanften Hund zu sehen, als der er sonst in Erscheinung tritt. Für mich ist es eine völlig neue Erfahrung, dass die Art, wie sich der Jagdinstinkt äußert, keinen Charakterzug darstellt, sondern nur ein natürliches Verhalten in einer ganz bestimmten Situation.
Ich muss sehr schlucken, als ich dies zu begreifen beginne. Meine romantischen Vorstellungen von einem »lieben Hund« fallen in sich zusammen. Die Jagdszenen mit den Hunden, die an meiner Seite liebevolle Wesen und zugleich Raubtiere sind, katapultieren mich sehr schnell in die Wirklichkeit des Überleben-Müssens.
Das Schwein
Das Schwein lebt vom Frühjahr bis zum Winter, wird zum Jahreswechsel geschlachtet und mit den Nachbarn geteilt. Es wird mit so viel Salz gepökelt, dass es zumindest für meinen Gaumen absolut ungenießbar bleibt, auch wenn ich es tagelang immer wieder in frisches Wasser einlege. Im nächsten Jahr füttert ein anderer Nachbar ein anderes Jungschwein, und auch dies
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