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Wanja und die wilden Hunde

Wanja und die wilden Hunde

Titel: Wanja und die wilden Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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ihn hin und betrachtet mit einem Ausdruck absoluter Ratlosigkeit lange diesen Vorgang.
    Bambino fühlt sich durch diese unverhoffte Aufmerksamkeit, die er offenbar als Bewunderung deutet, maximal angespornt und zerfetzt daraufhin mit Begeisterung alle Stöcke, die er in seinem Umkreis finden kann. Mitunter wirft er den Stock ein wenig von sich weg und schaut dann in eine andere Richtung, um Husar zu ermuntern, sich den Stock zu schnappen – natürlich nur, um zeigen zu können, dass er selbst schneller sein wird. Husar jedoch scheint es völlig gleichgültig zu sein, ob Bambino den Stock im Maul hat oder nicht. Was genau ihn am Stöcke kauenden Bambino eigentlich interessiert, lässt sich nicht wirklich ausmachen.
    Baba ist neben Felix unsere beste Fährtensucherin. Während Felix jedoch über die Felder hetzt und in schrillen Tönen »jippt«, wie ich sein abgehackt klingendes Bellen bezeichne, schnüffelt Baba gemütlich vor sich hin. Husar läuft mitunter neben ihr, ohne Anton aus den Augen zu verlieren, und schnüffelt mit. Auch hier gewinne ich den Eindruck, dass er zwar nicht wirklich weiß, wonach er sucht, das alles aber für eine interessante Sache hält.
    Auch wenn Bambino und Felix mit Leidenschaft herumtoben und spielen, scheint dem jungen Schäferhund irgendwo im Hinterstübchen etwas zu dämmern. Flitzt einer der Rüden an ihm vorbei, geht er mitunter instinktiv in eine Spielaufforderung, weiß dann jedoch mit seinem eigenen Impuls anscheinend nichts mehr anzufangen und setzt sich ruhig wieder hin.
    Etwas jedoch gibt es, das Husar ganz genau kennt und das er ungemein wichtig nimmt: die Zeit zum Schlafengehen.
    Jeden Abend um 21 Uhr (plus minus fünfzehn Minuten) geht er auf seinen Schlafplatz unter das Haus. Er kann gerade mit uns im Hof liegen oder an Anton gekuschelt sein – geht es auf 21 Uhr zu, rappelt er sich hoch und verkriecht sich in seine Schlafmulde.
    Wir feiern am Fluss Veras Geburtstag. Cesária Évora (bis heute neben Maria Ta˘nase meine Lieblingssängerin) lässt ihre Stimme aus einem batteriebetriebenen Kassettenradio ertönen. Der Vollmond beleuchtet neonlichtartig die Landschaft, wir braten Kartoffeln am Feuer und trinken Baba Lubas Selbstgebrannten. Alle Hunde liegen so dicht wie möglich an der potentiellen Futterquelle und warten, ob etwas übrig bleibt. Auch Husar hat gerade noch aufmerksam auf meine Hände geblickt, die gerade eine Kartoffel zubereiten, als er plötzlich aufsteht und verschwindet. Zwei Sekunden später piept das Radio und eine Nachrichtensprecherin verkündet: Es ist 21 Uhr.
    Als wir gegen Mitternacht nach Hause kommen, schaue ich unter das Haus und sehe in die verschlafenen Augen von Husar. Er ist tatsächlich die zwei Kilometer vom Fluss alleine nach Hause gelaufen, um pünktlich schlafen gehen zu können.

Aufgaben
    Meine Vorstellung von einem Leithund entsprach bisher der allgemein üblichen Annahme, dass dieser für alles verantwortlich ist. Er allein muss alle Entscheidungen treffen, er muss zur Jagd »blasen«, die Jagd anführen, er darf zuerst an die Beute gehen und fressen, er geht immer vornweg, zuerst durch jede Tür und überhaupt hat er im Rudel »das Sagen«. Es ist wie so oft mit bestimmten Vorstellungen: Man hat sie von anderen übernommen und diese übernahmen sie ebenfalls schon von anderen und irgendwann überprüft niemand mehr, woher diese Vorstellungen stammen und ob sie überhaupt stimmen.
    Im realen Leben beobachte ich ein Zusammenspiel von Fertigkeiten einzelner Hunde, ähnlich der Aufgabenverteilungen unter den Bauern im Dorf. So wird Baba Luba als Dorfälteste bei wichtigen Dingen um Rat oder eine Entscheidung gebeten, aber natürlich ist sie nicht auch noch zuständig für das Brot, den Honig, die Körbe, die Filzstiefel, die Glaubensfragen und die medizinische Versorgung. Für alles gibt es im Dorf Spezialisten. Wird ein Bauer krank, übernimmt ein anderer seine Aufgaben.
    Eine ähnliche Arbeitsteilung erlebe ich bei den Hunden. Während Wanja tatsächlich in allen wichtigen Situationen die Entscheidungen allein trifft, beteiligen sich an der Erziehung von Felix und Bambino fast alle Hunde (außer Alma und Husar). Dabei werden niemals Dinge aus Prinzip getan, sondern immer so, wie es die jeweilige Situation verlangt.
    An einem Bahngleis zum Beispiel, das wir einmal in der Woche überqueren, wenn wir nach Demuschkina gehen, lässt Wanja die Hunde nicht jedes Mal aus Prinzip anhalten, so wie wir Menschen es am Straßenrand mit

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