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Wanja und die wilden Hunde

Wanja und die wilden Hunde

Titel: Wanja und die wilden Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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Zentimetern, hat wirre dunkelgraue Locken und erinnert alles in allem an einen Mopp, der bereits sehr oft verwendet wurde. Wie ein Turnierpferd hebt sie eine Vorderpfote zuerst in die Höhe, bevor sie sie nach vorn bewegt. Das verleiht ihr einen eleganten Ausdruck, der so gar nicht zu ihrem sonst so verschrobenen Aussehen passt.
    Das erste Mal begegnen wir ihr vor Honigmacher Petjas Haus. Während ich über ihren skurrilen Anblick lachen muss, beginnt Milyi sofort Verrenkungen aufzuführen, die einfach rührend sind. Er kriecht mit steil in die Luft gerecktem Hinterteil und einer Wange auf dem Boden vor der Hündin auf und ab und winselt, als hätte er das verloren geglaubte Paradies wiedergefunden.
    Die Pudeldame würdigt ihn lediglich eines sehr kurzen Blickes und schnüffelt am Wegrand. Milyi verstärkt seine Werbung und beginnt, ihr Maul zu lecken.
    Die Pudeldame lässt sich mit seltsam zur Seite gedrehten Augäpfeln die Liebkosung gefallen. Milyi fühlt sich davon offenbar ermutigt und springt freudig um sie herum.
    Plötzlich geht ein Ruck durch die Pudeldame. Sie springt steif wie ein Ziegenbock vor und zurück – und tatsächlich spielen die beiden nach kurzer Zeit wie junge Hunde zusammen.
    Igor, der Sohn von Bauer Petja, tritt vor die Tür. Er ist ein wohlbeleibter Mann mit einer roten Nase und einem Dreifachkinn.
    »Ist sie heiß?«, frage ich ihn, auf seine Hündin deutend.
    »Gott bewahre.« Er hebt abwehrend beide Hände. »Sie ist die einzige Hündin im Dorf, dann wäre sie immer heiß. Sie ist …« Er macht eine Scherenbewegung mit dem Zeige- und Mittelfinger, was offenbar heißen soll, dass sie kastriert ist. Eine Kastration ist zu diesem Zeitpunkt in der Gegend noch sehr selten. Fast immer werden die weiblichen Welpen aus einem Wurf getötet, weil niemand eine Hündin haben möchte, die ständig Junge bekommt. Den Aufwand, eine Hündin kastrieren zu lassen, macht sich hier niemand.
    Während die anderen Dorfhunde auch diese Zeit des Jahres bei Minusgraden von bis zu fünfundvierzig Grad Celsius draußen in ihrer Hundehütte verbringen, lasse ich meine Hunde mit ins Haus.
    Anton, Husar und Wasja mögen es, im Flur zu bleiben. Ihnen ist es mit ihrem dicken Fell offenbar zu warm in der Wohnstube. Die anderen liegen im Zimmer, und ich liebe die Wintermonate allein für dieses gemütliche Beisammensein.

    Wanja und ich
    Als ich am Abend nach der Pudelbegegnung die Hunde hereinrufe, fehlt Milyi.
    Ich finde ihn genau dort, wo ich ihn vermutet habe. Er steht vor der Tür von Petjas Haus und fiept leise. Da die Pudeldame keine »Hiesige« und das Draußensein nicht gewöhnt ist, darf sie im Flur des Hauses nächtigen.
    »Milyi, mein Lieber. Komm mit nach Hause, du kannst morgen wieder herkommen«, sage ich. Ein allzu menschlicher Überzeugungsversuch.
    Milyi wedelt beschwichtigend mit dem Schwanz, stellt jedoch weder sein Fiepen noch das Starren auf die Haustür ein.
    Es gelingt mir nicht, ihn zu locken, und ich hoffe darauf, dass die Kälte ihn nachts nach Hause treiben wird. In den nächsten Tagen scheint es jedoch nur der Hunger zu sein, der uns hin und wieder Besuch von Milyi beschert.
    Wenn die Flüsse gefroren sind, kommen die Lkws nach Lipowka. Sie beliefern die Dörfer mit Säcken voller Hirse, Reis, Zucker, Mehl, Salz und kleiner Nudeln. Dazu gibt es auch Extras wie Konserven, Kekse, billiges Konfekt, Schokolade und Wodka.
    Jeder der Bauern deckt sich im Laufe des Winters für das kommende Jahr ein. Eingelagert werden vorwiegend Säcke mit Hirse, Zucker, Mehl und Salz. Der Genuss von Nudeln und Reis ist hier eher unüblich, denn das Grundnahrungsmittel stellen die eigenen Kartoffeln, die so viel Schweiß gekostet haben, dar. Konfekt und Konserven bleiben häufig auf dem Wagen. Obwohl sich die Bauern diesen »Luxus« durch ihre über das Jahr gesparte Rente leisten könnten, nehmen sie ihn nur selten in Anspruch. Zu sehr ist man an die Nahrungsmittel aus eigener Ernte gewöhnt. Der Wodka jedoch findet guten Absatz bei den Großvätern. Auch die Babuschkas kaufen ihn – als Bezahlung für die Hilfe der Männer beim Schafe hüten oder Holz schlagen.
    Wüssten die Bauern, dass ich im Winter regelmäßig Fisch- und Fleischkonserven sowie Nudeln und Öl für die Hunde kaufe, die nicht genügend Nahrung finden, würden sie mich sicher für verrückt erklären. Daher schiebe ich die Bewirtung der Kinder aus Demuschkina und anderer Besucher vor, um meine Großeinkäufe zu begründen.
    1996 liegen die

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