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Wanja und die wilden Hunde

Wanja und die wilden Hunde

Titel: Wanja und die wilden Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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gewinnen.
    Es muss einen anderen Weg geben.
    Ich verschlinge Hundeliteratur. Ich besuche das All des Internets. Ich bekomme Tausende Antworten, aber keine davon hilft mir weiter. Die Methoden tragen verschiedene Namen, aber sie alle bleiben Methoden, mit denen man Lotto spielt.
    Meinen »Aha-Effekt« erlebe ich bei dem Versuch, Hunden im Dog-Institut »bei Fuß« beizubringen.
    Gängige Vorgehensweisen wie stehen zu bleiben oder die Richtung zu wechseln, sobald der Hund an der Leine zieht, sorgen nach meiner Beobachtung nur für Verwirrung und Frustration auf beiden Seiten. Die Empfehlung, ein Leckerchen neben das Bein zu halten, ziehe ich erst gar nicht in Erwägung. Wenn ich beispielsweise wollte, dass Sie neben mir laufen, würde ich Sie einfach darum bitten. Ich würde Sie aber keinesfalls mit einem Stück Torte locken, nur in der Hoffnung, Sie verstünden so, dass Sie zukünftig auch ohne Torte neben mir laufen sollen.
    Auch den gepriesenen Leinenruck, der angeblich »richtig« ausgeführt nicht weh tut (weil der Hund dabei nicht am Kehlkopf und der Halswirbelsäule nach oben, sondern seitlich gerissen wird) und dafür sorgen soll, dass ein Hund versteht, dass er nicht zu ziehen hat, lehne ich grundsätzlich ab. Ich empfände es ja beispielsweise auch als unverschämt, Sie am Ärmel zu reißen (egal auf welche Weise), sobald Sie einen Schritt zu weit von mir weglaufen, ohne Sie vorher überhaupt darüber informiert zu haben, was ich mir von Ihnen wünsche. Sie würden, wenn ich Sie immer wieder am Ärmel reiße, vielleicht nicht mehr nach vorn gehen, jedoch sicher empört fragen, was ich denn mit meinem Gezerre eigentlich bezwecke und ob ich keinen Mund zum Reden hätte.
    Ich verstehe, dass genau das es ist, was mir fehlt. Ich kann mit einem Hund nicht kommunizieren.
    Eines Abends, kurz vor dem Einschlafen, taucht nach langer Zeit wieder ein Bild aus meiner Erinnerung auf.
    Wanja läuft über ein Feld. Er rennt mit seinem leichten, ruhigen Gang auf mich zu. Dann überholt ihn Felix, hysterisch bellend, und ein Dorfhund nähert sich. Wanja knurrt und springt Felix in den Weg, weil dieser einen Konflikt mit dem anderen Hund provozieren will. Er rempelt Felix an und drängt ihn so zurück. Dieser versucht noch einmal, an ihm vorbeizukommen, was einen kurzen Schnapper von Wanja zur Folge hat. So hält sich Felix leise wuffend hinter Wanja und läuft an dem Dorfhund vorbei.
    Sieben Jahre habe ich es miterlebt. Ich kann nicht fassen, dass diese Bilder so weggesperrt waren, dass ich in meinem Fernstudium vergeblich von Menschen zu lernen suchte, was ich ja bereits von den Hunden erfahren durfte. Es geht den Menschen, die in meine Hundeschule kommen, ja nicht darum, dass ihr Hund wie bei der Armee »bei Fuß« läuft, sondern einfach darum, dass er ihnen beim Spaziergang nicht den Arm herausreißt. Da ich menschlich an dieses Thema herangegangen bin, konnte ich nicht erwarten, dass Hunde mich verstehen.
    Jetzt erst fällt mir auf, wie oft ich Viktor mit Kommandos belästige.
    Wenn er sich zu weit entfernt, rufe ich, »Komm mal her«, weil ich Angst habe, dass er sich noch weiter entfernt, oder weil ich testen will, ob er noch ansprechbar ist.
    »Sitz!«, an jedem Straßenrand, damit durch diese Körperhaltung die Gefahr gebannt ist, dass er in einem plötzlichen Impuls hinüberläuft.
    »Aus!«, wenn er Tauben jagt. »Pfui, nein, aus, lass das!«, wenn er im Jagdeifer nicht damit aufhören kann.
    »Hej, aus!!!«, wenn er mit Leidenschaft im Gebüsch weggeworfene Kebabreste sucht (und findet!).
    »Pfui!«, wenn er sie frisst.
    »Pfui! Pfui!«, wenn er sie gefressen hat.
    »Bleib«, wenn er mir in der Wohnung ständig hinterherläuft. »Bleib. Bleib jetzt!«, wenn er mir nach zwei Minuten wieder hinterherläuft.
    »Aus!«, wenn es klingelt und er mit dem Bellen aufhören soll.
    Mir fallen die Ausrufezeichen auf. Und dass ich von Viktor die Unterlassung von Dingen verlange, die in der Natur des Hundes liegen und auch seine Lebensqualität ausmachen.
    In Lipowka blieb es allen Hunden selbst überlassen, in welchem Umkreis sie sich von Wanja entfernten, solange keine Gefahr drohte.
    Am Bahndamm, den wir einmal die Woche überquerten, mussten sie nicht aus Prinzip jedes Mal geschlossen »Sitz« machen. Wanja entschied je nach Situation, ob alle ruhig weiterlaufen, warten oder den Bahndamm so schnell wie möglich überqueren sollten.
    Dem Finder einer leckeren Beute das Fressen zu verbieten, wäre undenkbar gewesen.
    Ihm die

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