Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
verstärkt allen »realen« Dingen dieser Welt zu. Das schlagartig einsetzende koloniale Zeitalter ist zugleich das erste wirklich globale Zeitalter. Die Verkehrsverdichtung auf den Seehandelsstraßen hatte eine ganz andere Qualität als auf der Seidenstraße oder sonstigen Handelswegen in Afrika, Asien und Europa. Weltweit wanderten wieder einmal ganze Völker – oder jedenfalls Bevölkerungsgruppen: zuerst die Sklaven aus Afrika, dann Auswanderer aus Europa auf alle Kontinente. Die Entdeckung Amerikas hatte aber auch aus amerikanisch-indianischer Sicht epochale Folgen: Ihre Kulturen und einige ihrer blühendsten Reiche wurden binnen kürzester Frist ausgelöscht. Der Sturm, der über sie hinwegfegte, war viel kürzer und sicherlich um ein Vielfaches heftiger als die germanische Völkerwanderung in der Spätantike und lässt sich wohl nur mit der eisenzeitlichen Wanderung um 1200 v. Chr. vergleichen, die Kulturen wie die Minoer, Mykener und Hethiter ebenfalls auslöschte und die altorientalischen Reiche der Ägypter und Altbabylonier in den Grundfesten erschütterte.
DIE NEUEN HERREN DES ORIENTS
Weltreich wird genannt, wenn ein Reich auf mindestens zwei Kontinenten vertreten ist. Das war bei den alten Ägyptern der Fall, bei Alexander, den Römern und den Mongolen. Nach 1500 herrschten die Osmanen gleich auf drei Kontinenten: Europa, Asien und Afrika.
ab ca. 1500
DER SCHAH VON PERSIEN Dass der schiitische Islam die vorherrschende Religion in Persien ist, geht auf die Safawiden-Dynastie zurück, die unter Ismail I. (1484–1524) die Macht übernahm. Von Anfang an waren Süd-Irak und Iran Hochburgen der Schiiten. Innerhalb der islamischen Welt bestand auch stets ein gewisser Gegensatz zwischen – grob gesprochen – semitischen und sunnitischen Arabern und indoeuropäischen, schiitischen Persern. Seit den Safawiden behaupteten sich die Perser auch wieder machtpolitisch gegenüber der osmanischen und sunnitischen Vormacht. Die Safawiden erhoben den Schiismus zur Staatsreligion. Die neue Dynastie ging aus einer Familie kurdischer Scheichs hervor, die seit dem 14. Jahrhundert dem Sufismus nahestand. Ismail gelang die Eroberung von Persien und Teilen des Irak bis 1507. Die Safawiden waren kurdischer, also indoeuropäischer Abstammung und knüpften bewusst an die seit den Achämeniden bestehende persische Tradition von Großkönigen ( Schah-in-Schah ) an. In der Regierungszeit Abbas I. von 1588 bis 1629 wurde Persien zur Großmacht im Mittleren Osten und erlebte eine große kulturelle Blütezeit.
ab 1512
OSMANISCHES WELTREICH Das Osmanische Weltreich schuf Sultan Selim I. von 1512 bis 1520, nachdem er seinen Vater mithilfe der Janitscharen entmachtet und sämtliche Brüder und Neffen in bester osmanischer Familientradition beseitigt hatte. Dieser institutionalisierte Brudermord war bei den Osmanen üblich, um die Einheit des Reiches nicht zu gefährden. Es handelt sich um eine politische Tradition, nichts Persönliches.
Die Janitscharen hatten auf den richtigen Mann gesetzt. Nach ersten für ihn erfolgreichen Auseinandersetzungen mit den persisch-schiitischen Safawiden 1514 eroberten die Osmanen unter Selims Führung 1516/1517 Syrien und Palästina und beendeten die beinahe seit Saladins Zeiten bestehende Mamelukenherrschaft in Ägypten. Mit der anschließenden Eroberung der gesamtenarabischen Halbinsel wurde Selim auch zum Schutzherrn über die heiligen Stätten in Mekka und Medina. Er nahm den Kalifen-Titel an und ließ sich das Schwert und den grünen Umhang des Propheten übergeben. Die osmanischen Sultane behielten den Titel bis zum Ende des Osmanischen Reiches 1922 und der Abschaffung des Kalifats 1924. Das Kalifat und die (Schutz-)Herrschaft über Mekka und Medina waren natürlich gleichbedeutend mit der absoluten Vorrangstellung in der islamischen Welt. Gleichzeitig mit dem Osmanischen Weltreich rund um das östliche Mittelmeer entstand das Spanische Weltreich unter Karl V. und Philipp II. auf beiden Seiten des Atlantiks. Türken und Habsburger prallten auch alsbald aufeinander: auf dem Balkan, vor Wien (1529) und im Mittelmeer (Lepanto 1571).
SULTAN II Der türkische Sultan war, wie der arabische Kalif, weltliches und geistliches Oberhaupt zugleich. In den islamischen Reichen gab es keine ständisch-feudale Ebene erblicher Lehen oder kommunaler Freiheiten, die mit eigenen Rechten ein Gegengewicht zur Oberherrschaft der Dynastie hätten bilden können, und daher auch keine
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