Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
gründen, um reich zu werden. Die Palette reichte vom Kanonengießen (Krupp) bis zum Kaffeerösten (Meinl). »Gründerzeit« verweist nicht nur auf Unternehmensgründungen, sondern auf die Vielzahl der Vereinsgründungen. Es gab kaum eine Art von menschlicher Betätigung, die nicht im Verein betrieben wurde: Gesang, Sport, Kaninchenzüchten, auch zu Bildungszwecken bildeten sich Vereine, denn die Bildungsbeflissenheit war eines der Hauptcharakteristika des 19. Jahrhunderts. Besonders fortschrittlich war die Schweiz, die wirtschaftlich prosperierte und sich 1848 eine liberale Bundesverfassung gab. Daher wurde die Schweiz ein wichtiger Zufluchts- und Asylort für deutsche Revolutionäre, die teilweise steckbrieflich gesucht wurden. Zu ihnen zählte neben Richard Wagner auch der badische Revolutionär Friedrich Hecker.
Die Prosperität der Gründerzeit verdeutlicht besonders eindrucksvoll das Wachstum der österreichischen Hauptstadt Wien: Entlang der Ringstraße entstanden dort seit ca. 1860 zahlreiche repräsentative Gebäude in historisierenden Baustilen.
1852
SECOND EMPIRE Frankreich hatte zum zweiten Mal einen Kaiser, Napoleon III. Bonaparte, den Neffen von Napoleon. Er war am Ende des Revolutionsjahres 1848 mit großer Mehrheit zum Präsidenten der (zweiten) Republik gewählt worden, suspendierte 1851 die Verfassung und ließ sich umfassende Vollmachten erteilen. Dies und seine Proklamation zum Kaiser wurden 1852 in einer Volksabstimmung bestätigt. Anfangs regierte er autoritär, brachte Frankreich aber durch seine Beteiligung am Krimkrieg, seine Unterstützung des italienischen Risorgimento und den Umbau von Paris zu hohem Ansehen. 1863 fällte er persönlich die Entscheidung, die vom offiziellen Salon zurückgewiesenen Künstler im Salon des Refusés auszustellen: Manet, Whistler, Courbet, Pissarro, Cézanne. Aus dieser Gruppe von Künstlerin entwickelte sich alsbald der Impressionismus.
Preußischer Gesandter in Paris war im Jahr zuvor, 1862, der altmärkische Junker Otto von Bismarck (1815–1898).
1862
DER EISERNE KANZLER Noch in diesem Pariser Gesandtenjahr 1862 wurde Bismarck vom preußischen König Wilhelm I. zum Ministerpräsidenten ernannt.
Wilhelm und sein Heeresminister Roon wollten das Heer vergrößern, um gegen revolutionäre Umtriebe gewappnet zu sein, aber die liberale Mehrheit im Parlament verweigerte die Zustimmung. Roon telegrafierte nach Paris: »Gefahr im Verzug. Beeilen Sie sich.« Bismarcks Ernennung erfolgte drei Tage später, nachdem er dem König versichert hatte, die gewünschte Reform durchzusetzen. Denn Bismarck war der Ansicht, dass »nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse die großen Fragen der Zeit entschieden werden, sondern nur durch Eisen und Blut«. Wenn ihm innenpolitische Gegner das Leben schwer machten, hielt er sie für »bösartige Reptilien, die man bis in ihre Höhlen verfolgen müsse, um zu sehen, was sie treiben«. Der Zwei-Meter-Mann mit der Fistelstimme war nicht nur der Erfinder markiger Sprüche, sondern auch einer der bedeutendsten deutschen Politiker. Seine Hauptaufgabe und sein Hauptwerk waren die erste deutsche Einheit.
1866
RACHE FÜR SADOWA Seit den Befreiungskriegen wurden zwei politische Forderungen erhoben. Erstens die nationale: Einheit des »Vaterlandes«. Zweitens die liberale: eine Verfassung. Zur Lösung der nationalen Frage provozierte Bismarck 1866 Österreich, sodass es zu einem Feldzug der beiden deutschsprachigen Großmächte kam, den Österreich bei Königgrätz (Sadowa) in Böhmen verlor, weil sich die Schlacht zum Erstaunen der österreichischen Heeresleitung nicht so entfaltete, wie man das in den Kaisermanövern so schön geprobt hatte. Außerdem hatte der deutsche Feldherr Helmuth von Moltke (»Getrennt marschieren – vereint schlagen«) erstmals die Eisenbahn für seinen zeitlich exakt geplanten Aufmarsch verwendet.
Daraufhin löste Bismarck den Deutschen Bund auf und annektierte neben Schleswig und Holstein noch Hannover, Kurhessen (Nordhessen), Nassau und Frankfurt, das bis dahin Freie Reichsstadt war. Diese Gebiete bildeten ab 1867 den Norddeutschen Bund, also praktisch ganz Deutschland nördlich der Mainlinie von der Maas bis an die Memel. Ein derartiges Erstarken Preußens und das Entstehen einer neuen Großmacht in der gewohnt zersplitterten Mitte Europas konnte Frankreich nur mit größter Sorge und Skepsis betrachten. Daher entstand in Frankreich, nicht in Österreich, der Ruf nach »Rache
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