Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
Situation war angespannt. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann rief gegen Mittag vom Reichstag ziemlich eigenmächtig die Republik aus und proklamierte Friedrich Ebert als Reichskanzler. Es galt, etwaigen Umsturzversuchen der äußersten Linken zuvorzukommen.
Von da an herrschten teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände, weil die extreme Linke vielerorts doch noch versuchte, die Macht an sich zu reißen und Räterepubliken zu bilden. Ein Höhepunkt dieser Ereignisse war der Spartakusaufstand in Berlin, ein massiver Streik Mitte Januar, in dessen Verlauf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden. Angesichts dieser Zustände wich der am 19. Januar 1919 neu gewählte Reichstag zu seiner konstituierenden Sitzung nach Weimar aus. Im Nationaltheater Schillers und Goethes traten die Abgeordneten am 6. Februar erstmals zusammen und beauftragten den linksliberalen Verfassungsrechtler Hugo Preuß mit der Ausarbeitung einer Verfassung, die am 31. Juli ebenfalls in Weimar verabschiedet wurde und am 11. August in Kraft trat.
DIKTATFRIEDEN In Deutschland wie in Österreich wurden die Pariser Vorortverträge als »Diktat« bezeichnet. Schon im Jahr darauf galten die deutschen Unterzeichner und die von ihnen vertretenen Parteien, besonders die SPD, als »Novemberverbrecher«, die bürgerlichen Parteien, die die Bedingungen des Versailler Vertrages nach Möglichkeit erfüllen wollten, später als »Erfüllungspolitiker«. Alsbald machte die »Dolchstoßlegende« die Runde, wonach die deutsche Armee, »im Felde unbesiegt«, durch »rote Aufrührer«, Republikaner und die »Zivilbevölkerung« »von hinten erdolcht« worden sei. Diese Begriffe waren in aller Munde, nicht zuletzt wegen der nationalkonservativen und nationalsozialistischen Propaganda. Die deutsche Außenpolitik erzielte unter Gustav Stresemann (1923–1929) Erfolge in der Revision des Versailler Vertrages.
JUNGTÜRKEN II Die Anführer der türkisch-nationalistischen Reformpartei der Jungtürken besetzten in der letzten Phase des Osmanischen Reiches wichtige Ministerien. Enver Pascha war von 1914 bis 1918 Kriegsminister, Talat Pascha Innenminister und zuletzt Großwesir.
Angesichts des drohenden Kriegsverlustes initiierten beide den Terror gegen die Armenier und andere Minderheiten und zwangen insbesondere die Armenier 1915 zu einer verheerenden Deportation von Hunderttausenden Männern, Frauen und Kindern in die syrische Wüste mit dem erklärten Ziel,sie unterwegs oder spätestens dort umkommen zu lassen. Diese große Deportation eines ganzen Volkes fand während des Ersten Weltkrieges im Sommer 1915 statt. Franz Werfel hat der Tragödie mit seinem Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh ein literarisches Denkmal gesetzt.
Kemal Atatürk, der mit seiner Nationalbewegung teilweise ähnliche Ziele verfolgte wie die Jungtürken, distanzierte sich nach dem Ersten Weltkrieg gerade wegen der Armeniergräuel entschieden von den Jungtürken und schaltete sie politisch aus.
1922
KEMAL ATATÜRK – DER VATER DER TÜRKISCHEN REPUBLIK Kaum jemand hat einen Staat so tiefgehend verändert wie Mustafa Kemal (1881–1938) die aus den Trümmern des Osmanischen Reiches hervorgegangene Republik Türkei. Das Osmanische Reich gehörte als Verbündeter des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns zu den Verlierern des Ersten Weltkrieges. Das verbliebene Gebiet (hauptsächlich Anatolien) sollte teilweise an Griechenland, Italien und Armenien gehen. Danach wäre die Türkische Republik nur etwa halb so groß geblieben wie der heutige Staat. Kemal führte gegen diese Pläne einen regelrechten Befreiungskrieg. Er endete 1922 mit der Einnahme der mehrheitlich von Griechen bewohnten uralten kosmopolitischen Metropole Smyrna (Izmir) in der Ägäis. Aufgrund des Vertrages von Lausanne verließen anderthalb Millionen Griechen die Türkei und eine halbe Million Türken wanderte aus dem griechischen Thessalien, Makedonien und von den Inseln in die Türkei. Das ging nicht friedlich vonstatten. Damit endeten auf traumatische Weise 3000 Jahre griechische Kultur in Kleinasien.
1922 wurde das Sultanat abgeschafft, 1924 das Kalifat durch einen Beschluss der Nationalversammlung. Die Familie Osman musste das Land verlassen, das sie über 600 Jahre lang regiert hatte. Atatürk wandelte die türkische Gesellschaft nach westlichem Vorbild um. Das Tragen von Fes, Pluderhosen, Schleier und Kopftuch wurde verboten. Die allgemeine staatliche Schulpflicht wurde eingeführt,
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