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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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Geht raus und seht es euch an: Da draußen ist die Hölle los.«
    Wir hatten noch mehr als eine ganze Stunde Zeit. Hinter dem Wohnwagen, es roch ekelhaft nach Urin, überlegten wir, was wir tun sollten. Warum nicht einfach abhauen und auf die Party gehen. Doch mein Freund gestand mir, dass er nicht gehen könne, da er das Geld schon fest verplant habe. Er hatte sich Geld geliehen und einen Tennisschläger gekauft, gebraucht, mit echtem Schafsdarm bespannt.
    Um kurz nach elf machte die Frau endlich das Türchen ihres Kartenhäuschens zu. Aber es dauerte noch mal eine halbe Stunde, bis das letzte durchgeschüttelte Pärchen aus seinem Auto stieg. Die Musik ging aus und überall auf dem Jahrmarkt wurde mit dem Abbau begonnen. Es war überraschend, wie schnell sich dieser eben noch vor Lebendigkeit und Lärm überschäumende Ort in eine triste Baustelle verwandelte.
    Der siebenfingrige Autoskooter-Besitzer hatte sich angezogen, Westernhemd, und winkte uns zu sich. »Na, dann mal los! Fangt mit den Gerüstteilen an. Hier ist Werkzeug.«
    Außer uns war nur noch ein einziger anderer Mann da. Ein schmächtiges gebücktes Kerlchen mit einem Vollbart in kurzer Hose und Unterhemd. Der Autoskooter war durch das kalte Neonlicht noch größer geworden. Und während wir um zwölf erst einen Bruchteil der Gerüstkonstruktion abgeschraubt hatten, feierte mein anderer Freund in seinen Geburtstag hinein. Der Besitzer stand auf der Ladefläche eines geräumigen Lasters. Und die Sorgfalt, mit der er jedes Teil, das wir ihm reichten, weit hinten im Dunkeln verstaute, ließ nichts Gutes ahnen. Es würde Stunden dauern, diesen Laster zu füllen. Wir arbeiteten, so schnell wir konnten, und kamen gut voran. Er lobte uns: »Wusste ich’s doch, dass ihr fleißige Bienchen seid!«
    Der bärtige Mann arbeitete konzentriert, aber provozierend langsam. Immer im gleichen Tempo. Er sang dabei ein Lied: »Junger Mann im Frühling, möcht nicht gern allein sein. Ja was macht er dann? Ja was macht er dann? Er lacht sich eine an!« Er sang diese paar Zeilen die ganze, ewig lange Nacht. Um zwei Uhr hatten wir die Gerüste, Hunderte von Lämpchen und das elektrische Metallnetz verladen. Jetzt waren sicher alle längst da, es wurde bestimmt schon getanzt und viel getrunken. Und wir waren noch immer hier. »Macht doch mal Pause, Jungs, ihr arbeitet ja, als wäre der Teufel hinter euch her.« Wir waren völlig durchgeschwitzt. Meine Hand zitterte, als ich gierig aus der Wasserflasche trank. Ich flüsterte meinem Freund zu: »Wir müssen hier weg! Scheiß auf das Geld. Los, wir sagen ihm jetzt, dass wir gehen!«
    Mit freundlicher Stimme rief ich in den Laster: »Es tut uns leid, aber wir würden jetzt gerne Schluss machen. Wir haben noch was Wichtiges vor!« Er kam an die Rampe: »Was bitte?« Stellte sich auf die Hebebühne und fuhr seinen fetten Körper hinunter. Jetzt stand er direkt vor uns: »Wiederhol das noch mal. Ich glaub, ich hab mich verhört!« »Wir würden gerne gehen.« Mehr brachte ich nicht mehr heraus. Und dann hielt er mir seine verkrüppelte Hand vors Gesicht. Bohrte seinen Phantomzeigefinger in die Luft: »Ihr geht nicht eher, bis dieser Scheißlaster voll ist. Verstanden. Ich reiß euch so was von den Arsch auf, wenn ihr mir mit so einer Scheiße kommt. Alles klar?« Ich hatte schon so eine Angst, dass ich nur noch nickte, aber mein Freund versuchte es ein letztes Mal: »Bitte, geben sie uns unser Geld und lassen sie uns gehen!« »Geld gibt’s zum Schluss.« Und dann schlug er meinem Freund seine zweifingrige Hand dreimal an die Stirn: »An die Arbeit! An die Arbeit! An die Arbeit!«
    Als Nächstes kamen die Bodenplatten dran. »Vorsicht mit den Eisenplatten, Jungs!«, rief er und hielt seine Hand hoch. Jede dieser Platten wog schätzungsweise vierzig bis fünfzig Kilo. Die erste halbe Stunde trugen wir sie einzeln. Jeder eine Platte. Doch dann wurden sie so schwer, dass wir sie nur noch zu zweit hochbekamen. Meine Muskeln zitterten, mein Rücken tat mir weh, und vom Losschrauben der Platten hatte ich Blasen an den Handflächen bekommen und jedes Mal, wenn ich eine Platte festhielt, verkrampften sich meine Hände. Der Bärtige in kurzen Hosen sang immer noch sein »Junger Mann im Frühling«-Lied und trug dabei stoisch die Platten allein zum Laster. Eine nach der anderen. Mein Freund sah schlecht aus, tiefe Ringe unter den Augen und totenblass. Wir schwankten unter dem Gewicht der Eisenplatten, stolperten, sie krachten auf den Boden,

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