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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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Flaschen durch das Offizierskasino – gegen die Wände, in die Scheiben und wohl auch nach den Flüchtenden. Irgendetwas brüllte ich auch, aber was, weiß ich nicht mehr. Dann knallte ich meinen Kopf zweimal auf die Theke, brach zusammen und schlug immer weiter um mich und schrie. Drei Soldaten kamen und hielten mich mit aller Kraft fest. Ich hatte Todesangst vor ihnen. Zappelte in einer klebrigen Alkoholpfütze um mein Leben. Schreien, besinnungsloses Schreien und Schlagen. Ich verlor das Bewusstsein.
    Plötzlich lag ich auf einer Bahre und wurde in einen Krankenwagen geschoben. Als er hielt, auf dem kurzen Weg aus dem Krankenwagen in das Gebäude, erkannte ich, wo ich war. Haus E. Ambulante Behandlung. Ich wurde in ein Zimmer gebracht, erster Stock, E-Mitte, vergitterte Fenster und innen keine Klinke. Ein Arzt kam, und ich drehte mich weg. Ich wollte nicht erkannt werden. Er stellte mir Fragen: Ob ich irgendwelche Drogen genommen hätte. Was ich alles getrunken hätte. Ob ich dringend bestimmte Medikamente benötigen würde. Ich schwieg. Er fragte mich nach meinem Namen. Ich presste mir die Hände vors Gesicht und stellte mich tot. »Wir müssen dich untersuchen. Nichts Schlimmes. Du hast dir deinen Kopf angeschlagen. Das würde ich mir gerne mal ansehen.« Ich lag einfach da. Zusammengekauert, ratlos und verängstigt. »Ich würde mir das gerne mal ansehen.« Er rief zwei Pfleger. Sie drehten mich auf den Rücken und zogen mir mit aller Gewalt die Hände vom Gesicht. Der Arzt sah mich an. Ich schämte mich so sehr. Er sah mich an, war überrascht. Und dann strich er mir mit der Hand über den Arm: »Alles gut. Kein Problem.« Er verließ den Raum, und nur kurze Zeit später stand mein Vater im Zimmer. Sein Hemd hing ihm aus der Hose, er war außer Atem, sah verschlafen aus. Er setzte sich zu mir auf die Bettkante. Ich fing an zu heulen. »Was ist denn passiert, Josse? Was ist denn nur passiert?« »Ich weiß nicht. Es ist einfach so passiert. Aus dem Nichts.«
    Ich lag mit meinem Kopf auf seinem Schoß. Mein Vater wollte mich gleich mitnehmen, doch der Arzt winkte ihn beiseite, und vor der halb geöffneten Tür redeten sie leise miteinander. Ich hörte meinen Vater mehrmals sagen: »Das kommt überhaupt nicht infrage!« und den Arzt »… frei flottierend …«. Die Tür wurde geschlossen. Er kam zurück und erklärte mir, dass ich doch noch ein bisschen dableiben müsse, um mich auszuschlafen. Er küsste mich auf den Kopf und ging. Er war vollkommen durcheinander. Ich schlief lange. Bis zum Abend. Als ich aufwachte, hatte ich schrecklichen Muskelkater, war heiser. Über einem Stuhl hingen meine Anziehsachen. Ohne dass ich es gemerkt hatte, hatte man mir ein weißes, seitlich gebundenes Hemdchen angezogen.
    Es ging mir gut. Ich sah von meinem Bett aus den blauen Himmel und ging zum vergitterten Fenster. Was ich da sah, überraschte mich. Durch die hohen Linden hindurch sah ich unser Haus. Die Wäschespinne im Garten. Ich blieb lange am Fenster stehen. Sah unseren Hund durch den Garten trotten und kurz einen Schatten, der ihm die Glastür öffnete. Am Abend holte mich mein Vater ab. Brachte mir frische Anziehsachen und wir gingen nach Hause. Keine drei Minuten dauerte das.
    Meine Mutter versuchte, nicht zu weinen, und mein mittlerer Bruder umarmte mich lange, war freundlich. Ich durfte eine Woche zu Hause bleiben, doch dann musste ich zurück in die Schule. Mein Wunsch, für einige Zeit weit wegzugehen, Schleswig zu verlassen, wurde immer größer. Ich wollte ins Ausland. Am liebsten nach Amerika. Und das hab ich dann auch gemacht.

Komm, wir reiten nach Laramie
    Für ein Jahr ging ich in die USA. Ich wäre gerne nach Kalifornien gegangen oder in eine große Stadt, nach New York oder Chicago. Aber ich landete in Laramie in Wyoming, wo nachts die Wölfe heulten. Das allerdings mochte ich an Laramie, dieses Wolfsgeheul. Es erinnerte mich an das Heulen und Schreien der Patienten. Fünfhunderttausend Menschen leben in Wyoming auf einer Fläche, die so groß wie Deutschland ist. Nur in Alaska leben noch weniger. Meine Highschool hatte eine eigene Landebahn, da einige Schüler jeden Morgen mit dem Flugzeug angeflogen kamen. Meine Gastfamilie lebte nicht einmal in der Stadt selbst. Ich war außerhalb von außerhalb. Eine grüne Oase inmitten einer staubigen Prärie. Von morgens bis abends krochen ferngesteuerte Wassersprenger durch den Garten.
    Ich hatte mir oft in Schleswig ausgemalt, dass meine Gastfamilie vielleicht

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