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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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und somit ranghöchster Militär in der wunderschön, direkt am Wasser gelegenen Kaserne mit dem sicher für viele Bundeswehrsoldaten höhnisch klingenden Namen: »Kaserne auf der Freiheit«. Sie war zur selben Zeit entstanden wie die Psychiatrie. Dieselben Backsteingebäude, dieselbe lange, das riesige Areal umschließende, rote Backsteinmauer. »Auf der Freiheit« hatte ein Offizierskasino, und hier durfte mein Freund seinen siebzehnten Geburtstag feiern. Genau genommen war das Fest am Vorabend, denn es sollte in seinen Geburtstag hineingefeiert werden.
    Dieser Geburtstag sollte für mich ein unvergesslicher Abend werden. Zusammen mit einem anderen Freund hatte ich auf dem zu dieser Zeit in Schleswig gastierenden Jahrmarkt an der Scheibe des kleinen Kartenhäuschens des Autoskooters ein Schild gesehen: »Abbauhilfen gesucht!«.
    Wir hatten die Dame hinter der Glasscheibe gefragt, wie lange der Abbau denn dauern würde, und sie schickte uns mit ihrem vom Rauchen gelben Zeigefinger zu einem Wohnwagen. Wir klopften an und eine raue Männerstimme rief: »Herein.« Der Wohnwagen war überraschend geräumig, ja, luxuriös. Auf dem Bett lag, nur mit einer Jeans und einer Goldkette bekleidet, ein übergewichtiger Mann. Um ihn herum lagen mehrere ebenfalls übergewichtige Katzen. Er fütterte sie aus einer Dose heraus mit Fleischstückchen. Wir fragten ihn nach unserem Stundenlohn und bis wann es dauern würde. »Ihr seid doch jung! Na, drei, allerhöchstens vier Stunden. Stunde Zwanzig Mark.« Mein Freund und ich sahen uns kurz an. Zwanzig Mark die Stunde war viel. Um zehn war die letzte Fahrt. Dann sollte es sofort losgehen. Wir wären allerspätestens um zwei Uhr fertig. An dem Abend des Abbaus war auch das Fest in der Kaserne. Wir berieten uns kurz. Wir würden erst den Autoskooter abbauen und dann mit unserem Geld auf die Party gehen. Wir sprachen es nicht aus, aber die Vorstellung von diesem späten Auftritt auf dem Fest gefiel uns. »Wo kommt ihr denn her?« »Von der Arbeit.« »Von welcher Arbeit?« »Wir haben noch schnell achtzig Mark verdient. Autoskooter abgebaut.« Und dann an der Offizierskasinobar ein kaltes Bier trinken, umweht von der herben Aura körperlicher Arbeit im Kontrast zum leichten Leben feiernder Gymnasiasten. Ja, das stellten wir uns schön vor.
    Wir sagten zu und der fette Mann, der seine Zigarette in die leere Katzenfutterdose abaschte, sah uns an, grinste: »Aber lasst mich nicht hängen. Versprochen?« »Na klar. Versprochen!«, jetzt lachte er: »Ich reiß euch den Arsch auf, wenn ihr wegbleibt!« »Nee, nee!«, sagte ich, und mein Freund: »Wir sind da. Samstag um zehn!« Draußen vor dem Wohnwagen beschlossen wir, noch einen Blick auf den Autoskooter zu werfen. Er war groß, verdammt groß. Aber wir machten uns Mut: »Wer weiß, wie viele da noch mithelfen!«
    Der Generalssohn verteilte in der Woche vor seinem Kasernenfest Einlass-Scheine, die jeder Gast zusammen mit seinem Ausweis an der Kaserneneinfahrt dem Wache schiebenden Soldaten vorzulegen hatte. Es sollte eine große Party werden. In jeder Pause wurde über dieses Fest gesprochen. Die Einlass-Scheine hatten etwas Magisches, versprachen den Zutritt zu etwas Unvergesslichem. Wer sie hatte, gehörte dazu, wer nicht, war in diesen Tagen ein Niemand.
    Ich bereute mittlerweile den Plan, erst später auf die Jahrhundert-Party zu gehen, zutiefst. Es war völliger Wahnsinn, auch nur eine Stunde zu verpassen.
    Mein Freund und ich waren am großen Abend schon um neun Uhr auf dem Jahrmarkt, in der Hoffnung, dass es vielleicht ein bisschen früher mit dem Abbau losgehen würde. Es war einer dieser seltenen warmen Abende und brechend voll zwischen den sich drehenden, schleudernden, wild schwenkenden Karussells. Da die letzten Tage regnerisch gewesen waren, kamen die Schleswiger zu Hunderten.
    Mein Freund und ich schlenderten, nichts Gutes ahnend, über den Jahrmarkt. Um Punkt zehn Uhr klopften wir an die Tür des Wohnwagens. Der fette Mann mit den Katzen lag noch genauso in seiner Bettnische wie vor einer Woche, fütterte die Katzen mit Fleischhappen aus der Dose. Doch diesmal sah ich, dass ihm an der fütternden Hand drei Finger fehlten und er die Fleischstückchen mit dem Daumen und dem kleinen Finger aus der Dose fummelte. Er hatte blendende Laune: »Ihr habt noch Zeit, Jungs. Wir machen erst um elf Schluss.« »Warum das denn?« »Warum das denn?« Er streckte sich, dass die Katzen sich missmutig maunzend erheben mussten. »Na, warum wohl.

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