Wanted
Ich betrachtete sie nicht ohne Sorge. Die Schwester würde wegen des Rauchs alleine schon durchdrehen, da war es nicht nötig, dass wir auch noch die halbe Station unter Wasser setzten. Mich eingeschlossen.
Scuzzi folgte meinem Blick, ging zum Fenster, riss beide Flügel auf und kam zurück an mein Bett.
Interessiert blieb er bei dem Tropf stehen, an dem ich hing.
»So'n Ding neben dem Fernsehsessel und man muss nur noch zum Kacken aufstehen«, fand er.
Ich deutete mit dem Kopf zum Nachttisch, auf dem die Pfanne wartete, und Scuzzi pfiff beifällig durch die Zähne.
Es hat etwas Tröstendes, Leute zu kennen, die einen selbst in solch einem Zustand noch zu beneiden verstehen.
»Soll ich dir 'n bisschen was da rein tun?«, fragte Scuzzi und klopfte mit der einen Hand gegen die hängende gläserne Flasche und mit der anderen seine zahlreichen Jackentaschen ab. »Irgendwas, das deinen Aufenthalt hier 'n bisschen ... interessanter ... macht?«
Ich schüttelte den Kopf. Unter bestimmten Umständen ist es sicherlich von Vorteil, einen Dealer zum besten Freund zu haben, doch mein allmählich Schritt für knirschenden Schritt zurückkehrendes Erinnerungsvermögen ließ im Moment keine wirkliche Langeweile und somit auch kein Bedürfnis nach intravenösen Additiven aufkommen.
»Mal ziehen?«, fragte er und hielt mir den Joint an die Lippen.
Ah, rauchen!
»Schade, dass wir nicht schwul sind«, bemerkte ich gepresst und blies mir einen Teppich aus Rauch auf den Bauch. »Dann könntest du mir jetzt wundervoll einen lutschen.«
»Ja, Pech«, fand Scuzzi mit Bedauern. »Andererseits erspart es uns beiden die Qualen der Eifersucht, sollten sie dich die nächsten fünfzehn Jahre wegsperren.«
Ich grunzte ihn an. Er sollte eigentlich wissen, was ich von dieser Art von Scherzen halte. Pflichtschuldig klopfte er sich dreimal gegen den Holzkopf.
»Was ist denn mit der Nachtschwester?«
»Stolz. Und strenggläubig, fürchte ich fast. Trägt ein Kopftuch, in Zivil.«
»Und die am Tag?«
»Blond. Und ein bisschen verkniffen, meine ich manchmal. Wäscht sich mit Kernseife oder so was.«
»Und ausgerechnet jetzt hat Mamma ihre Mädels alle in Urlaub geschickt«, bestätigte Scuzzi meine schlimmsten Befürchtungen. »Du weißt schon, bis sich die Behörden der Stadt wieder eingekriegt haben.«
Das konnte Monate dauern und brachte mich gedanklich zur Anreicherung meines Blutes mit schweren Zusätzen zurück.
»Irgendwas außer einer Fellatio, das ich noch für dich tun könnte?«
Mein Zimmernachbar stöhnte im Schlaf auf.
»Lins mal rüber und sag mir, wer das ist da nebenan.«
Scuzzi linste um die Stellwand herum und hustete röchelnd. Als er mich wieder ansah, war er eine Schattierung blasser um die Nase als gewöhnlich. Irritiert sah er von mir zu dem Joint in seinen Fingern und schnickte ihn kurz entschlossen aus dem Fenster.
»Und?«, fragte ich.
»Du wirst es nicht glauben«, stieß er hervor.
»Was glaubst du«, fragte ich in den Raum hinein:
»Werden sie uns einen letzten Wunsch gewähren?« Keine Reaktion.
Mandoney stöhnte, Tatters schnarchte, die Schlüssel hingen.
Ich fragte: »Was würdest du wählen?«
Nichts.
Ich versuchte es mit: »Stimmt es, was die Leute sich über dich erzählen?« (Alter Trick. Zieht immer.)
Schweigen.
Irgendwo krachte ein Schuss.
Tatters unterbrach sein Schnarchen, Mandoney sein Stöhnen, und in der entstandenen, wie ein Gong durch die Nacht hallenden Stille konnte man einen Wolf heulen hören.
Nichts, worauf ich in meiner Lage großen Einfluss hatte, all das, also fuhr ich fort: »Dass du einen Arsch hast wie 'ne Vierzig-Dollar-Kuh und einen Schnurrbart, auf den selbst der Sheriff neidisch ist?«
Mit einem Ruck verschwand eine der Wolldecken, und alles, was sich ein Mann nach zwei Monaten Zwangsarbeit, sechs Tagen Einöde und einem drei viertel Tag Haft erträumen kann, blitzte mich aus schwarzen Augen an. Die Knöpfe ihrer weißen Bluse ächzten mit jedem ihrer tiefen Atemzüge. Langsam strich sie sich mit beiden Händen durch das Haar, das glänzte wie nasse, schwarze Kiesel, und trat nahe heran an das Gitter.
Auch bei mir ächzten jetzt Knöpfe, und das, obwohl ich vergessen hatte, wie man Atem zieht.
Seufzend teilte sie ihre Lippen, die rot waren wie die Glut, wenn der Wind ins Feuer fährt, und schmiegte ihre Wange an den kalten Stahl, der uns trennte. Nicht ein Flaum auf ihrer Oberlippe. Sanft und stark zugleich rieben ihre Finger Wärme in die runden
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