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Wanted

Wanted

Titel: Wanted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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dich schon mal auf den Schreibtisch, Mandoney«, meinte der Sheriff aufgeräumt. »Wir bereiten inzwischen den Doc vor. Hierhin, Tatters.«
    Und er klopfte einladend auf den einzigen Stuhl im Raum. Zögernd, zuckend nahm der Arzt Platz.
    »A-hahaha-haber ni-ninini-nicht wi-wiwiwiwieder dieses -«
    »Aber nein«, meinte der Sheriff beruhigend, »nur keine Sorge, Doc«, warf dann urplötzlich von hinten seinen Arm um den Hals des Mediziners, riss ihn mitsamt Stuhl in eine Rücklage, zwang ihm die Kiefer auseinander, und Bro Ho setzte den Trichter an und füllte dem Wehrlosen kommentarlos eine halbe Flasche klarer Flüssigkeit ein.
    »Panchos >White Lightning<«, raunte Shits.
    »Hochprozentig. Mag er nicht so gern, der Doktor.«
    »Blödsinn, uns hier zum Spähen rauszuschicken«, befand Toller Hund, dem jetzt zusätzlich zu seinem Kopf auch noch die Finger schmerzten, wo Bro Ho ihm den Hochprozentigen aus der Hand gewunden hatte. »Und wenn schon, dann hätten sie uns die Flasche dalassen können.«
    »Wir hätten machen sollen, dass wir hier wegkommen«, bemerkte Pancho. El Lobo heulte immer noch. Aber nicht länger allein. Rings um die Stadt antworteten ihm seine Artgenossen, und bei allen Unterschieden in Klangfarbe, Lautstärke und Modulation fand sich nicht einer darunter, der auch nur ansatzweise in der Lage schien, vom menschlichen Ohr anders als mit äußerstem Vorbehalt aufgenommen zu werden.
    »Solange noch Zeit dafür war«, fügte Pancho hinzu und spähte angestrengt hinaus in die sich in nächtlicher Schwärze erstreckende Einöde, so leer für das Auge und so voll für das Ohr.
    »Hört sich an, als ob sie um die ganze Stadt herum wären«, beobachtete Toller Hund. »Wer jetzt noch zu flüchten versucht, fällt unter die Wölfe.«
    Oberarm, dachte ich. Wer immer das war, hat ihn außen am Oberarm erwischt, und die gehen hin und weiden ihn aus wie ein Stück Wild.
    Sekundenlang hatte ich Hoffnung geschöpft. Kaum dass der Trichter aus seinem Mund entfernt war, hatte sich der Doktor aufgerichtet zu seiner ganzen, kugelförmigen Höhe von gut und gerne fünf Fuß, hatte sich mit ruhiger, sicherer Hand seine Weste glatt gestrichen, die Pickelhaube gerichtet und begonnen, seine Ärmel aufzukrempeln.
    »Also wirklich, Starski«, sagte er in vorwurfsvollem Ton, ohne auch nur den Ansatz eines Stotterns, »ich weiß nicht, wie oft ich noch darauf verweisen muss, wie sehr mir Ihre rüden Methoden gegen den Strich gehen.« Er schnippte herrisch mit den Fingern. »Bro Ho, das Chloroform und einen Lappen, bitte.« Mit ärgerlich gekräuselten Brauen wandte sich der Arzt wieder an den Sheriff. »Ich habe mein kleines . Problem .«, Doc Tatters schraubte energisch den Verschluss von der Chloroform-Flasche, ». einen sauberen Lappen, Bro Ho, nicht den aus dem Putzeimer! . sehr wohl unter Kontrolle!« Der Doc tränkte den Lappen großzügig und presste ihn dann seinem auf dem Schreibtisch zu liegen gekommenen Patienten entschlossen aufs Gesicht. »Auch ohne«, wandte er sich erneut und vorwurfsvoll an den Sheriff, »dass Sie mimisch mitten diesn Schawawawarfgbranndn Fususelll vergiffdn duhn .«
    »Hoho«, bemerkte Bro Ho, wie er es gerne tat, kritisch, als dem guten Doc die Knie nachgaben.
    »Ist wohl ein bisschen stark ausgefallen, Panchos neue Lieferung.«
    Und ab da ging es den Bach runter.
    Ich hätte gelacht, wäre es nicht gleichzeitig um meinen Hals gegangen.
    Mandoney war einmal chloroformiert, und da der Doktor sich als vorerst nicht wiederbelebbar erwies, wurden Streichhölzer hochgehalten, und niemand schien auch nur ansatzweise besorgt, als Bro Ho das kürzeste zog. Niemand außer mir, sollte ich vielleicht sagen.
    Ich möchte es so ausdrücken: Es gibt Gründe dafür, warum manche Menschen Kalligraphen werden und andere Anstreicher. Warum manche Uhrmacher sind und andere Schiffsmechaniker. Bildhauer und Sprengmeister. Wir alle müssen unsere Neigungen ein wenig um unsere Eignungen schmiegen oder es droht ein Fiasko.
    Von der Eignung her wäre Bro Ho absolut am richtigen Platz, wenn es um das Zerteilen eines toten Wales gegangen wäre. Ihn mit einem scharfen Messer auf einen lebenden menschlichen Organismus loszulassen erfüllte dagegen den Tatbestand der Anstiftung zum Mord.
    Ich denke mal, es war die morbide Faszination des Todgeweihten, die mich als Einzigen im Raum dazu befähigte, bei dem Gemetzel zuzusehen. Mit jedem neuen, klaffenden Schnitt fühlte ich die Schlinge um meinen Hals enger

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