Wanted
werden.
Mandoney überlebte trotzdem. Ich weiß nicht, wie. Musste wohl mit der sprichwörtlichen Robustheit und legendären Zähigkeit seiner beiden animalischen Paten zusammenhängen.
»So, da isse«, sagte Bro Ho und hielt sie mit blutigen Fingern ins trübe Licht der unter der Decke schwankenden Petroleumfunzel, die Revolverkugel. »Jetzt brauchen wir'n nur noch wieder zuzunähen.«
Ein Schweigen folgte. Unterbrochen von Hüsteln.
»Na, dann mach mal«, sagte Shits. »Ich pack ihn erst an, wenn er steif ist.«
Bro Ho blickte auf seine Hände. Schaufel und Kohlen kamen einem bei ihrem Anblick in den Sinn, Spaltaxt und Holzscheit, Hammer und Zaunpfahl, Führstrick und Bulle. Nicht Nadel und Faden.
»Gut, dann muss ich das eben machen.« Sheriff Starski griff sich die Garnrolle aus des Doktors Tasche und die größte Nadel aus dem Kissen, fingerte ein Monokel aus der Weste, klemmte es ins Auge und die Zungenspitze zwischen die Zähne und begann mit dem Einfädeln.
Der erste Versuch ging um eine satte Handbreit daneben.
Blut tropfte. Zeit verging. Mein letztes bisschen Hoffnung schwand. Mandoney stöhnte.
»Kleinen Moment noch«, meinte der Sheriff und stach ins Leere und Weite.
Mit einem Grunzen richtete sich der Doktor mühsam auf. Hielt seinen Kopf.
»Vielleicht ...«, begann Shits.
»Augenblick. Hab's gleich«, sagte der Sheriff.
»Stop! Stopopop! Das ist ein- eineinein- eindeutig mein-meineinein- meine Aufgabe. Gott- Gottottott- Gottseidank bin ich wieder nü- nünününüchtern. Also he- hehehe- her mit der Nadel und de- dedede- dem Fa- Fafafa- Faden!«
»Vielleicht .«, begann Shits.
»Hab's gleich«, sagte der Sheriff.
In der Zelle nebenan zerkaute jemand eine Abfolge von mexikanischen Flüchen zwischen langsam mahlenden Zähnen. Bis auf den stöhnenden Mandoney blickten alle in ihre Richtung. Bis auf Mandoney und mich. Wegen der erwähnten Wolldecken gab es für mich nichts zu sehen. Meine Augen waren stattdessen auf die beiden Zellenschlüssel fixiert, die irgendwie vom Haken gefallen waren und über die jetzt nur noch einer dieser Tölpel nur noch einmal zu stolpern brauchte und sie wären in meiner Reichweite, und von da bis zum Waffenschrank war es nicht mehr als ein Hechtsprung .
»Vielleicht sollten wir Aisha bitten, die Näherei zu übernehmen?«
»Ha!«, kam es stolz und ablehnend aus der Zelle neben meiner.
»Hab's gleich«, sagte der Sheriff.
»Da- dadada- das ist mein Jo- Jojojo- Job!«
»Ich kann das machen«, bot ich an. »Wenn sie sich zu schick dafür ist.«
»Na gut«, kam es stolz und gnädig aus der Zelle neben meiner.
Und Bro Ho bückte sich nach den Schlüsseln. Verdammich.
Andererseits konnte ich jetzt endlich mal einen Blick riskieren auf meine Nachbarin. Seltsam, wofür ein Mann nach sechs Tagen im Sattel und einem halben in Haft nicht alles dankbar ist.
Und dann weigerte sie sich, ihre Zelle zu verlassen, und sie wuchteten ihr Mandoney auf die Pritsche! Verdammich.
Blieb die Flasche mit dem Fusel. War noch hübsch was drin. Wie von selbst konzentrierten sich meine Gedanken darauf.
>»Auf dem Rücken eines wilden Schecken, schneller als der Wind, wird der Fremde in den Kreis aus Eisen kommen. Er wird treue Verbündete finden, sieben Squaws beglücken, das papierene Gold des Weißen Mannes mit Verachtung strafen. Dann wird er seine Feinde besiegen und zum Schluss wird er den Weg über das Wasser nehmen und den Kreis aus Eisen brechen.< So, genau so hat es mein Freund Kleines Glas, der Medizinmann, aus den Steinen im Feuer herausgelesen«, raunte Toller Hund und sah sich suchend um. Er war dabei, ihren Zweimann-Spähtrupp beinahe lautlos durch die undurchdringliche Schwärze der Nacht zu leiten. »Und dann noch bisschen was über einen sprudelnden Bergquell von reinstem Tequila. Aber das liest er aus praktisch jedem Stein, dafür braucht er noch nicht mal ein Feuer.« Als einzige Orientierungshilfe dienten ihm die für das menschliche Auge kaum wahrnehmbaren, im Licht von höchstens zehn oder zwölf Petroleumlampen nur schwach gegen die Sterne anleuchtenden Buchstaben BOOTHILL SALOON auf dem Dach des gleichnamigen Gebäudes. Mit dem untrüglichen Instinkt des geborenen Fährtenlesers führte er Pancho zielsicher darauf zu. »Wieso also wollt ihr noch nicht zu den treuen Verbündeten des Fremden gehören?« Pancho seufzte.
»Erinnerst du dich, wie Kleines Glas fast das gleiche über den dicken Fremden mit den roten Haaren prophezeit hat?«, fragte er zurück
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