War against people
selbstdefinierten »nationalen Interessen« Gewalt anzuwenden.
Noch bedenklicher wird es, wenn es sich dabei um Schurkenstaaten handelt, die sich weltweit
zum Richter und Hinrichter erkoren haben.
Schurkenstaaten, näher definiert
Interessant sind auch jene Gesichtspunkte, die in der Nicht-Diskussion über die Irak-Krise
eine Rolle gespielt haben. Doch betrachten wir zunächst den Begriff »Schurkenstaat«.
Seine Grundlage bildet die Auffassung, daß die USA auch nach dem Kalten Krieg noch die
Verantwortung dafür tragen, die Welt zu schützen - aber wovor? Sicher nicht vor der
Bedrohung durch »radikalen Nationalismus« also vor der Weigerung, sich dem Willen der
Mächtigen zu beugen. Derlei Vorstellungen taugen allenfalls für interne Planungsdokumente,
nicht für die Öffentlichkeit. Bereits zu Beginn der achtziger Jahre wurde deutlich, daß die
konventionellen Techniken der Massenmobilisierung - die Berufung auf Kennedys
»monolithische und ruchlose Verschwörung« oder Reagans »Reich des Bösen« ihre
Wirksamkeit verloren. Man brauchte neue Feinde.
In den USA selbst wurde die Furcht vor Verbrechen - insbesondere Drogen durch »eine
Reihe von Faktoren [geschürt], die mit dem Verbrechen an sich wenig oder gar nichts zu tun
haben«, lautete die Schlußfolgerung der Nationalen Strafrechtskommission. Sie machte dafür
bestimmte Praktiken der Medien wie auch die Regierung und die Privatindustrie
verantwortlich: Man habe »latente ethnische Spannungen zu politischen Zwecken ausgenutzt«
und bei der Verfolgung und Verurteilung von Straftätern in so einseitiger Weise die Schwarzen
im Auge gehabt, daß ganze Gemeinschaften dadurch zerstört worden seien. So sei »ein Abgrund
zwischen den ethnischen Gruppen« aufgerissen und die »Nation an den Rand einer sozialen
Katastrophe« geführt worden. Kriminologen sprechen vom »amerikanischen Gulag« und einer
»neuen amerikanischen Apartheid«. Zum ersten Mal in der Geschichte der USA bilden
Afroamerikaner die Mehrheit der Gefängnisinsassen; zur Zeit sind siebenmal so viele
Schwarze wie Weiße in Haft eine Relation, die in gar keinem Verhältnis zur Anzahl der
Verhaftungen steht, obwohl Schwarze sehr viel häufiger als Weiße des Drogenkonsums oder
Drogenhandels beschuldigt werden. 11
Im Ausland bedrohen »internationaler Terrorismus«, »ibero-amerikanische Drogenhändler«
und, in erster Linie, »Schurkenstaaten« die Sicherheit der Nation. 1995 erstellte das Strategische
Kommando, das für die strategischen Nuklearwaffen zuständig ist, eine Untersuchung mit
dem Titel Essentials of Post-Cold War Deterrence, in der die Grundlinien der
Abschreckungspolitik in der Ära nach dem Kalten Krieg dargelegt werden. Durch das Gesetz
zur Informationsfreiheit wurde die Studie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie »zeigt,
wie die Vereinigten Staaten ihre Abschreckungsstrategie nach dem Zerfall der Sowjetunion
auf sogenannte Schurkenstaaten wie Irak, Libyen, Kuba und Nordkorea verlagert haben«,
berichtet Associated Press. Die Untersuchung rät den USA, ihr Arsenal an Nuklearwaffen zu
benutzen, um zu demonstrieren, daß sie »im Falle eines Angriffs auf ihre Lebensinteressen
irrational und rachsüchtig« reagieren. Das sollte ein »Bestandteil unseres Nationalcharakters
sein, den wir gegenüber allen Gegnern«, insbesondere den »Schurkenstaaten«, »zur Geltung
bringen«. »Es schwächt uns, wenn wir uns als allzu rational und besonnen präsentieren« und
uns gar noch solchem Schwachsinn wie internationalem Recht und vertraglichen Bindungen
verpflichtet fühlen. »Die Tatsache, daß einige Angehörige« der US-Regierung »als potentiell
»unkontrollierbar« erscheinen, kann dazu dienen, bei den politischen Entscheidungsträgern
eines Gegners Befürchtungen und Zweifel zu wecken oder zu verstärken«. Die Studie greift
auf Nixons »Theorie vom Irrsinnigen« zurück: Wenn unsere Feinde erkennen, daß wir verrückt
sind und, bei gleichzeitiger Verfügung über Waffen von großer Zerstörungskraft,
unvorhersehbar handeln, werden sie Angst bekommen und sich unserem Willen beugen. Dieses
Konzept wurde vermutlich in den fünfziger Jahren in Israel entworfen; die Führer der damals
regierenden Arbeiterpartei »propagierten Wahnsinnstaten«, wie der ehemalige
Premierminister Moshe Sharett in seinem Tagebuch notiert. Es wurde davor gewarnt, daß
wir »durchdrehen« (nisbtagea), wenn man uns betrügt. Diese »Geheirnwaffe«
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