War against people
Spekulanten
ganz allgemein die Rechte von Personen aus Fleisch und Blut außer Kraft setzen, wodurch
die politische Souveränität der Bevölkerung unterminiert und die Demokratie eingeschränkt
wird. Konzerne können auf verschiedene Weise souveräne Staaten verklagen, und es gibt
dafür interessante Beispiele. Vor einigen Jahren versuchte Guatemala, die Kindersterblichkeit
zu verringern, indem es die Vermarktung entsprechender Arzneimittel durch multinationale
Konzerne einschränkte. Die vorgesehenen Maßnahmen standen im Einklang mit Richtlinien
der Weltgesundheitsorganisation und hielten sich an internationale Vereinbarungen, aber
der Gerber-Konzern sah hierin eine Enteignung. Die WTO drohte mit einer Klage, und Gua-
temala, das Sanktionen durch die USA befürchtete, zog die Maßnahmen zurück.
Die erste Klage dieser Art im Rahmen der neu formulierten WTO-Regeln wurde von Ven-
ezuela und Brasilien gegen die USA eingereicht. Die Südamerikaner beschwerten sich darüber,
daß die Regulierungen der US-Umweltbehörde zur Förderung von Erdöl ihre Rechte als
Exporteure beeinträchtige. Washington gab damals nach, angeblich auch aus Angst vor
Sanktionen, doch stimmt mich diese Interpretation skeptisch. Ich glaube nicht, daß die USA
Handelssanktionen von Venezuela und Brasilien fürchteten. Wahrscheinlicher ist, daß die
Regierung Clinton keinen zwingenden Grund sah, Umwelt und Gesundheit zu schützen.
Diese Probleme haben mittlerweile ein dramatisches, wo nicht gar obszönes Ausmaß
angenommen. Millionen Menschen sterben weltweit an heilbaren Krankheiten, weil die
den WTO-Regeln eingeschriebenen protektionistischen Elemente privaten Megakonzernen
das Recht auf monopolisierte Preisbildung zugestehen. So können etwa Thailand und Südafrika,
die eine gut entwickelte pharmazeutische Industrie besitzen, lebensrettende Arzneien zu
einem Bruchteil der marktüblichen Kosten herstellen, scheuen aber aus Angst vor
Handelssanktionen davor zurück. 1998 drohten die USA sogar damit, ihre Zahlungen an die
WTO einzustellen, falls diese weiterhin die Auswirkungen von Handelsbedingungen auf die
Gesundheit überwache. 14 Das sind keine aus der Luft gegriffenen Bedrohungen.
All dies läuft unter der Bezeichnung »Handelsrechte«. Es hat aber mit Handel nichts zu tun.
Es hat etwas mit monopolistischer Preisbildung zu tun, die durch in sogenannten
Freihandelsabkommen festgelegte protektionistische Maßnahmen gefördert werden. Diese
Maßnahmen sollen die Rechte der Konzerne sichern. Darüber hinaus hemmen sie, wie viele
andere Regulationsmechanismen dieser Abkommen, ökonomische Innovations- und
Wachstumsprozesse. Es geht um die Rechte der Investoren, nicht um den Handel. Und auch
dieser ist kein Wert an sich. Er ist ein Wert, wenn er dem Wohlergehen der Menschheit
nützt, sonst nicht.
Allgemein gesprochen läuft das Prinzip der WTO-Regeln und anderer, damit
zusammenhängender Vertragswerke darauf hinaus, daß Souveränität und demokratische
Rechte den Rechten der Investoren untergeordnet werden müssen. In der Praxis bedeutet
das, daß die Menschen den Rechten der juristischen Personen, also den Privattyranneien,
unterzuordnen sind. Solche und ähnliche Probleme führten zu den großen Demonstrationen
in Seattle. Aber in mancherlei Hinsicht trat der Konflikt zwischen öffentlicher Souveränität
und privater Macht einige Monate später, in Montreal, noch deutlicher hervor. Dort wurde
in bezug auf das sogenannte »Protokoll über biologische Sicherheit« ein etwas zweideutiger
Kompromiß erzielt, der, der New York Times zufolge, »nach intensiven Verhandlungen
erreicht wurde, bei denen die Vereinigten Staaten oftmals in Gegnerschaft zu allen anderen
Teilnehmern standen«. Die Auseinandersetzungen drehten sich um das »Vorbeugeprinzip«,
das der Chefunterhändler der Europäischen Union so definierte: »Staaten müssen die Freiheit
und das souveräne Recht haben, vorbeugende Maßnahmen« gegen genetisch verändertes
Saatgut, Mikroben, Tiere und Feldfrüchte, die sie für schädlich halten, »zu ergreifen«. Die
Vereinigten Staaten beharrten jedoch auf den Regeln der WTO, denen zufolge der Import
von Gütern nur verboten werden kann, wenn ihre Schädlichkeit wissenschaftlich
nachgewiesen ist. 15
Worum geht es hier? Um die Frage, ob Menschen das Recht haben, keine Subjekte von
Experimenten sein zu wollen. Nehmen wir ein einfaches, eher persönliches Beispiel. Stellen
wir uns vor, die
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