War against people
Bereich - das
Wachstum verlangsamte sich, die Produktivität nahm ab, ebenso die Kapitalinvestitionen,
während die Zinsraten stiegen (und damit das Wachstum hemmten), die Märkte unbeständiger
wurden und die Finanzkrisen sich häuften. Das blieb, auch in den reichen Ländern, nicht
ohne Auswirkungen auf den Arbeitssektor: stagnierende oder fallende Löhne, längere
Arbeitszeiten (vor allem in den USA), Beschneidung sozialstaatlicher Leistungen. Dazu nur
ein Beispiel: In unseren großen Zeiten heute, die in aller Munde sind, ist das durchschnittliche
Familieneinkommen auf das Niveau von 1989 zurückgefallen, und das lag schon niedriger als
das von 1970. Zudem wurden in dieser Zeit die sozialstaatlichen Leistungen erheblich
reduziert. Insgesamt gewährt die neue Weltordnung dem »virtuellen Parlament« des Kapitals
der Investoren sehr viel größere Einspruchsmöglichkeiten, was zu einem alarmierenden
Verfall demokratischer und souveräner Rechte und einem Abbau des Gesundheitssystems
führt.
In den reichen Gesellschaften sind diese Auswirkungen immerhin spürbar, in den armen
Ländern aber eine Katastrophe. Insgesamt wirken sich diese Probleme grenzüberschreitend
aus, es geht also nicht darum, daß eine Gesellschaft reicher, eine andere dagegen ärmer wird.
Was wir in Betracht ziehen müssen, ist die Weltbevölkerung insgesamt. Neueren Analysen
der Weltbank zufolge war der Reichtum der obersten fünf Prozent der Weltbevölkerung
1988 78mal so hoch wie der Reichtum der untersten fünf Prozent, während er 1993 (neuere
Daten gibt es noch nicht) 114mal so hoch war, und der Abstand dürfte seitdem noch gewachsen
sein. Diese Zahlen zeigen auch, daß das oberste eine Prozent der Weltbevölkerung genausoviel
verdient wie die unteren 57 Prozent, und das sind immerhin 2,7 Milliarden Menschen.17
Es vermag nicht zu überraschen, daß die Zerschlagung der nach dem Zweiten Weltkrieg
errichteten Wirtschaftsordnung von einem entschiedenen Angriff auf die Demokratie -
Freiheit, Souveränität, Menschenrechte begleitet wurde. Der Schlachtruf dieses Angriffs
lautete und lautet: Es gibt keine Alternative. Das klingt wie eine Parodie auf den
Vulgärmarxismus. Der Schlachtruf ist natürlich reiner Selbstbetrug. Die sozioökonomische
Ordnung, die jetzt von oben verfügt wird, ist das Ergebnis der Entscheidungen von Menschen,
die in von Menschen geschaffenen Institutionen wirken. Die Entscheidungen können
widerrufen, die Institutionen verändert werden. Sollte es sich als notwendig erweisen, können
sie zerschlagen und ersetzt werden. Das haben aufrechte und mutige Menschen im Lauf der
Geschichte immer wieder vollbracht.
Anmerkungen
1 Vgl. Chomsky, Deterring Democracy, Kap. 12.
2 Zu Madison vgl. Chomsky, Powers and Prospects, Kap. 5, des weiteren meinen Artikel
»'Consent Without Consent': Reflections on the Theory and Practice of Democracy«, Cleve-
land State Law Review 44.4 (1996). Zu Jay vgl. Frank Monaghan, owzry (Bobbs-Merrill, 1935),
S. 323.
3 Walter Lippmann. Ausführlichere Darstellungen in Chomsky, Towards a New Cold War,
Kap. l und 2; Necessary Illusions, Kap. l; Deterring Democracy, Kap. 12. Zum
Gesamtzusammenhang vgl. die Pionierarbeit von Alex Carey, Taking the Risk Out of Democ-
racy (Univ. of Illinois Press, 1997).
4 Vgl. Chomsky, Powers and Prospects, Kap. 4.
5 Zu Bernays vgl. Profit Over People, Kap. 2 (Europa Verlag, 2000). Vgl. ferner Smart Ewen,
Captains of Consciousness (McGraw-Hill, 1976).
6 World Bank, World Development Report, 1995. Mit Erläuterungen zit. in Jerome Levinson,
»The International Financial System: A Flawed Architecture«, Fletcber Forum 23: l (Winter/
Frühjahr 1999).
7 Vgl. dazu »Jubeljahr 2000« in diesem Buch.
8 Carothers, »The Reagan Years«, in Abraham Lowenthal (Hg.), Exporting Democracy 0ohns
Hopkins Univ. Press, 1991); In the Name of Democracy (Univ. of California Press, 1991);
»Dithering in Central America«, NYT Book Review, 15. Nov. 1998.
9 Condemned to Repetition (Princeton, 1987).
10 Vgl. Chomsky, Turning the Tide, Kap. 2; sowie Wirtschaft und Gewalt, Kap. 2.
11 Vgl. Chomsky, Profit Over People, Kap. 4.
12 Zit. nach Robert Westbrook,/oDewey and American Democracy (Cor-nell, 1991).
13 Zit. nach Martin Sklar, The Corporate Reconstruction of American Capita-lism, 1890-
1916 (Cambridge Univ. Press, 1988), S. 413f.
14 Shawn Crispin, »Global Trade: New World Disorder«, Far Eastern Econo-mic Review
(Bangkok), 17. Feb.
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