War da noch was - Roman
hörte konzentriert zu und hielt den Blick fest auf mein Gesicht gerichtet.
»Und jetzt ist er wie alt? Vierzehn?«
»Fünfzehn. Und ein toller Junge. Du musst ihn unbedingt mal kennenlernen.«
»Oh, ich habe schon von ihm gehört. Meine Nichte ist sehr mitteilungsfreudig, was das Thema anbetrifft.«
»Deine Nichte?«
»Cassie.«
»Ach so, natürlich.« Ich erblasste überrascht. Ich wusste ja, dass Seffy und Cassie sich bei einer Schulparty kennengelernt hatten, aber …
»Ich glaube, sie sind ganz gute Freunde, auf so eine Facebook-Weise, was doch sehr nett ist, oder nicht?«
»Ja«, stimmte ich nach einer Weile zu, noch immer verblüfft. »Das ist schön.« Aber es verletzte mich, dass er mehr wusste als ich. Es brachte mich regelrecht aus dem Konzept.
»Wie geht es Letty?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
Er seufzte und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Nicht gut. Seit Dominic tot ist, sind sie und die Flasche unzertrennlich.«
»Das war schon vor Dominics Tod so«, korrigierte ich leise.
Er runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht.«
Ich sagte nichts weiter dazu, obwohl ich es besser wusste. Ich wusste, dass die Ehe schon seit einer ganzen Weile nicht mehr glücklich gewesen war, hatte miterlebt, wie sie trank, als sie schwanger war, damals, als ich mit aufs Land gefahren war. Ich wusste, dass Dominic sich Sorgen deswegen gemacht hatte. Er hatte oft mit mir darüber gesprochen und sich selbst die Schuld dafür gegeben, weil er so viel weg war. Aber darauf wollte ich jetzt gar nicht näher eingehen. Ich wollte die Ehe der Forbes nicht noch mehr beschmutzen, als ich das ohnehin schon getan hatte.
»Und Cassie fürchtet sich davor, mit ihr allein zu sein.«
»Das überrascht mich nicht. Das ist ja auch nicht lustig für ein junges Mädchen.«
»Deswegen will ich Letty überreden, dass sie das Haus verkauft und sich dafür etwas Kleineres in London zulegt, wo ich ein Auge auf sie haben kann, und wo Cassie unter Freunden und in meiner Nähe sein kann, nicht so isoliert wie in diesem Haus.«
»Ach so. Also, du solltest vielleicht wissen, dass du dort als der Böse dargestellt wirst, der versucht, eine arme Witwe aus ihrem Haus, von ihrem Besitz zu vertreiben. «
»Unfug. Ich will, dass Cassie noch etwas Geld übrig behält, bevor Letty alles versäuft. Und ich will, dass Letty richtige Hilfe bekommt, zu den Anonymen Alkoholikern geht, Freunde findet, sich vielleicht einen Job sucht. Und
nicht in diesem abgelegenen Farmhaus hockt, wo sie sich zu Tode säuft, weil sie einsam ist.«
Ich betrachtete ihn über den Tisch hinweg. Ein guter Mann. Ein ehrenwerter Mann. War er immer gewesen. Einer, der das Steuer fest in der Hand hielt. Ja, ich hatte seine Steuerung in meinem Leben vermisst. Ich fühlte ein schmerzliches Bedauern.
»Und jetzt heiratest du«, sagte ich leichthin und ohne weiteren Zusammenhang.
Er hielt meinem Blick stand, der wohl ein wenig herausfordernd war. Dann neigte er den Kopf zur Bestätigung dieser Tatsache, sagte aber nichts.
»Du hast lange gewartet. Warum?«
Er warf den Kopf zurück und lachte. Ein plötzliches, kehliges, herzhaftes Lachen, an das ich mich noch gut erinnerte.
»Das ist fein! Du hast es ja gar nicht fertiggebracht!«
»Ja ja, aber ich habe Ballast im Gepäck«, grinste ich. »Ich bin eine ledige Mutter, vergiss das nicht. Geteert und gefedert.« Ich machte ein Kreuz mit den Fingern, so als wollte ich Vampire oder etwas Ähnliches abschrecken.
»Ach ja, Seffy. Deine gute Entschuldigung.«
Er kannte mich nur zu gut, aber ich ließ mich nicht so leicht abwimmeln.
»Und was ist deine Entschuldigung, Hal?«
Er rutschte auf seinem Stuhl herum, und sein Blick konzentrierte sich für einen Augenblick ganz auf seinen Wein.
»Sagen wir einfach, ich bin nie dazu gekommen.«
»Aber jetzt kommst du dazu.«
»Ja, genau.«
»Nach wie langer Zeit?«
»Bitte?«
»Wie lange kennt ihr euch schon?«
»Ach, ein paar Jahre.«
»Okay. Und seit wann seid ihr verlobt?«
»Seit drei.«
»Drei Jahre! Warum so lange?«
Er schien sich unwohl zu fühlen. »Wir wollten eigentlich letztes Jahr heiraten, aber dann ist ihr Vater gestorben. Deswegen haben wir es verschoben.«
»Oh, ach so.«
»Und dann hatte ich einen großen Prozess in Paris, der mich vier Monate dort festhielt, und so haben wir die Hochzeit noch einmal nach hinten verschoben.« Er zuckte die Schultern. »Wie es eben so ist.«
Ich nickte, aber es kam mir doch seltsam vor, dass man nicht aus Paris
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