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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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gesagt?« Mein Mund formte die Worte, aber meine Gedanken rasten wie wild voraus. Mein Sohn wusste Bescheid. Wusste, dass er mein Kind war. Ich hatte Mühe mitzuhalten. Musste mich aufrappeln nach jedem wohl gezielten Schlag vor den Kopf.
    »Er dachte, wenn du nicht wolltest, dass er es weiß, dann hätte es auch keine Eile, dass er es dir erzählte. Anfänglich dachte er allerdings ganz anders. Anfänglich, als wir es gerade herausgefunden hatten, war er einfach nur wütend. Und völlig am Boden zerstört.«
    Plötzlich ließ ich den Kopf in die Hände fallen. Natürlich war er das. Denn was ich getan hatte, war das Schlimmste, was eine Mutter je tun konnte. Ich hatte mein eigenes Kind verleugnet. Aber ich hatte es tun müssen. Ich konnte der Welt doch nicht erzählen, dass er Dominics Kind war. Ich musste Dominic schützen, seine Karriere, seinen Ruf. Damals, vor vielen Jahren, stand ständig etwas über ihn in der Zeitung. Ständig war er unterwegs, im Mittleren Osten, Sierra Leone, sogar im Kosovo … Er
erschien immer wieder in den Sechs-Uhr-Nachrichten, unser Mann in einem krisengeschüttelten Land. Mein Mann. Jung, klug, gutaussehend. Ein Mann, dem man vertraute. Dem man die Sicherheit des eigenen Landes anvertraute. Und dann saß ich da mit Seffy auf dem Arm, oder später tappelte er in unserem winzigen Wohnzimmer herum. Dominic strich sich die blonde Mähne zurück und sprach in die Kamera, hinter ihm waren Truppen in Kampfanzügen zu sehen. Dann sprach er zu mir, sah mir in die Augen, seine Stimme, tief und aufrichtig, teilte mir mit, dass ein Friedensabkommen kurz bevorstünde. »Wir arbeiten hart daran: Vertrauen sie mir.« Wie hätte ich all das zerstören können, indem ich die Bombe platzen ließ: das illegitime Kind — und dann zusehen, wie sein Leben in sich zusammenfiel? Seinen Namen beflecken? Oh nein, ich hatte ihn beschützen müssen. Ich hatte ihn so sehr geliebt, dass ich das getan hatte. Um jeden Preis. Aber um welchen Preis!
    Später, als Dominic starb, dachte ich, ich könnte es Seffy erzählen, dachte, ich könnte es allen sagen, aber dann war es fast noch schlimmer. Er wurde zum Märtyrer, zum Helden. Unser aller Außenminister, Opfer eines heimtückischen Terroranschlags. Die Beerdigung war überall in den Zeitungen. Der Trauergottesdienst für ihn wurde im Fernsehen übertragen, Würdenträger und Staatsoberhäupter nahmen teil, der Duke of Edinburgh als Stellvertreter der Queen. So viel Trauer und Ehrerbietung. Wie hätte ich es da ausplaudern können? Es ging einfach nicht. Aber … vielleicht in ein paar Jahren. Wenn Gras über die Sache gewachsen war. Doch dann waren seine Tagebücher veröffentlicht worden, mit großem Erfolg. Eine großer Publikationserfolg mit einem Vorwort von seiner Witwe Letty und einem Bild von ihr und Cassie.
Also ging es wieder nicht. Und dann … nun, dann war es irgendwann zu spät gewesen.
    »Ich muss zu ihm«, flüsterte ich und stolperte auf die Füße, aber meine Knie waren wie die einer Stoffpuppe. Hal kam zu mir herüber und zog sich einen Hocker heran.
    »Warte. Warte noch ein bisschen, bis du ruhiger bist. Er weiß es schon seit über einem Jahr. Noch ein bisschen länger wird da auch keinen Unterschied machen.«
    Über ein Jahr lebte mein Sohn jetzt schon mit diesem Wissen. Warum hatte er nichts gesagt, mich zur Rede gestellt, mir ins Gesicht geschrien, ich hätte ihn betrogen – mich vielleicht sogar verlassen? Plötzlich wurde mir eiskalt. Vor einem Jahr war er von seiner Londoner Schule geflogen, weil er geraucht und getrunken und schließlich sogar, wenngleich versehentlich, den Aufenthaltsraum in Brand gesetzt hatte. Eine große psychische Krise bei einem ansonsten ernsthaften und nachdenklichen Jungen, hatte in dem Bericht des Jugendpsychologen gestanden. Der Direktor hatte seinen vormaligen Musterschüler mit immer besten Noten als verstörtes Kind bezeichnet. Ist zu Hause alles in Ordnung, Mrs Carrington? Und ich hatte gedacht, es wäre alles in Ordnung gewesen. Hatte keine Ahnung gehabt. Warum hatte er nichts gesagt?
    »Warum hat er nichts gesagt?«, ertöne meine Stimme von irgendwoher, klein und weit entfernt.
    Hal zuckte die Schultern. »Du hast es vierzehn Jahre lang vor ihm geheim gehalten, warum sollte er es nicht auch vor dir geheim halten? Ich kann mir sogar vorstellen, dass er so wütend war, dass er ein wenig Rache üben wollte. Aber dann, nachdem wir uns unterhalten hatten, hat er irgendwann doch etwas mehr begriffen,
hoffe

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