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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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Hal?«, ich griff nach seinem Arm. »Du hast ihm erklärt, warum ich es getan habe?«
    »Soweit ich das konnte, ja. Ich habe dir immer schon die Stange gehalten, Hattie. Und das werde ich auch in Zukunft tun.«
    Da hing sie in der Luft: seine Liebe zu mir. Als ständige Erinnerung. Fast wie ein Vorwurf. Meine Hand kehrte auf meinen Schoß zurück.
    »Aber Seffy hat es nicht so gesehen. Er hat nur gesehen, dass du Dominic schützen wolltest. Und dich selbst.«
    »Nein, niemals mich selbst«, sagte ich heftig. »Es war mir vollkommen egal, was über mich gesagt oder geschrieben werden würde. Aber Dominic …«

    »Du hast ihn sehr geliebt. Und sein Andenken ebenfalls. Seffy würde sagen, mehr als ihn. Eine größere Liebe. «
    Ich ließ den Kopf hängen. »Das ist nicht wahr«, flüsterte ich. »Niemals mehr als Seffy. Aber mit jedem Tag, der verging, wurde es so viel schwerer. So unmöglich eine Kehrtwende zu machen, nachdem ich ihm erst einmal erzählt hatte, er wäre adoptiert.«
    »Warum hast du es dann überhaupt getan?« Beim Klang der Stimme fuhr ich herum. Seffy stand mit bleichem Gesicht in der Tür hinter uns.
    »Oh, Seffy.« Ich stand auf und stolperte auf ihn zu. Er wich zurück mit erhobenen Händen, abweisend. Seine Augen waren jetzt hart und schmal. Undurchdringlich.
    »Nein, Mum, ich will es jetzt wissen. Warum hast du das getan?«
    »Mein Liebling, sieh mal …«
    » Sag’s mir einfach. «
    Mein Atem ging unregelmäßig, und ich hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Ich tastete nach dem Hocker hinter mir. Setzte mich. Ich wusste, das, was jetzt kam, war von großer Wichtigkeit. Die Wahrheit. Ich hielt einen Augenblick inne.
    »Weil das die Lüge war, die ich allen seit deiner Geburt erzählt hatte. Dass ich dich in Kroatien adoptiert hätte. Das war es, was alle dachten – Granny, Grandpa, Laura, alle meine Freunde. Als du ungefähr sechs warst, spürte ich, dass es nun an der Zeit wäre, es allen zu sagen. Ihnen mitzuteilen, dass ich dir demnächst die Wahrheit sagen würde, und dass es etwas gäbe, was auch sie wissen sollten. Aber ich hatte nicht den Mut dazu. Und stattdessen habe ich dir das erzählt, was alle anderen auch dachten. «

    »Dass du mich adoptiert hättest. Du hast verleugnet, dass du mich geboren hast, Hattie.«
    Ich blickte ihn entsetzt an.
    »Tja, jetzt habe ich dich fünfzehn Jahre lang Mum genannt. Vielleicht werde ich dich jetzt, wo du tatsächlich meine Mutter bist, einfach Hattie nennen.«
    Das hatte eine verdrehte Logik, die nicht von der Hand zu weisen war.
    »Ich habe jeden Tag gedacht, dass ich es dir sagen sollte«, flüsterte ich. »Ich schwöre bei Gott, dass kein Tag verging, an dem ich es nicht erwogen habe. Ich dachte, ich würde es dir sagen, wenn du zehn bist oder elf. Ich dachte, du solltest alt genug sein, zu verstehen, warum ich es getan hatte. Aber ich wusste, je mehr Zeit verging, desto weniger würdest du es verstehen. Ich hatte so etwas Schreckliches getan, und es wurde von Augenblick zu Augenblick größer.«
    »Es bestimmt mich, Mum.« Seffys Stimme zitterte. Sein Gesicht war aschfahl. »Zu wissen, wer meine Eltern sind. Es bestimmt jeden von uns. Das ist so grundlegend, so fundamental. Du hast es mir verweigert.«
    »Ich gehe jetzt«, sagte Hal leise. Ich hatte ganz vergessen, dass er auch da war.
    »Nein, bleib, bitte«, sagte Seffy. »Ich will nicht mit ihr allein sein.«
    Die Wunde in meiner Brust brach auf und ergoss sich in mein Inneres, überflutete mich. Ich spürte, wie ich förmlich in mich zusammenfiel, während ich das Gesicht in den Händen vergrub.
    »Seffy«, hob Hal an, »du ahnst ja nicht, was das für einen Wirbel um dich gegeben hätte. Noch immer geben würde, wenn du …«
    »Wenn ich mit der Wahrheit ans Licht käme?« Seffy
sah ihn an. »Natürlich werde ich das tun, warum sollte ich nicht? Die Zeitungen von heute sind das Einwickelpapier von morgen, warum sollte die sensationslüsterne Presse wichtiger sein als mein Bedürfnis, zu wissen, wer ich bin?« Seine Augen funkelten. »Zu wissen, dass ich eine richtige Mutter, einen toten Vater und mit Cassie eine Schwester habe – die übrigens vollkommen entsetzt war …«
    »Du hast es ihr erzählt?« Mir fielen die Hände vom Gesicht.
    »Natürlich habe ich es ihr erzählt. Ich habe sie kennengelernt, nach und nach, dann haben wir stundenlang geredet, im Wald, bei der Party.«
    Was auch der Grund dafür gewesen war, dass er den Bus nicht mehr rechtzeitig erreicht hatte.

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