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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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Tisch auf. Ging zum Spülbecken hinüber und umklammerte meine Oberarme, während ich aus dem Fenster schaute. Das, was ich am allermeisten an mir verabscheute und fürchtete und was an guten Tagen ein kleines Samenkorn in einem Winkel meines Bewusstseins war, immer da, aber klein, war an schlechten Tagen wie ein großes Geschwür von der Größe einer Wassermelone, das meinen Kopf anfüllte wie ein Abszess, der mit seiner dünnen Haut zu zerplatzen drohte. Ich klammerte mich am Rand des Spülbeckens fest und schloss die Augen. Atmete tief ein und aus. Nein, ich würde es nicht platzen lassen. Konnte es nicht platzen lassen. Und wenn ich es nur fest genug wollte, würde es auch wieder schrumpfen. In sich zusammensacken wie ein Airbag oder ein Luftballon, Tage nach der Party. Ich wartete darauf, dass das geschah. Die Küchenuhr tickte in dem stillen Haus. Die Minuten vergingen. Ich blieb dort am Fenster stehen und hielt mich fest, auf vielerlei Weise.
    Ein Wagen fuhr die Einfahrt hinauf. Es war Hal. Langsam atmete ich aus. Das war schnell gegangen. Gut. Das Auto bog ab, bevor es das Haus erreichte, fuhr langsam die hintere Einfahrt entlang, vermutlich zum Zwinger, wo Seffy zweifellos Biba und Dad gesehen hatte. Und da wollte er gleich fragen, ob es schon Neuigkeiten gab. Nein, keine Neuigkeiten. Ein schlechtes Zeichen, dachte ich. Wenn alles gut war, würde Hugh doch sicherlich anrufen,
oder? Ich blickte zum Telefon auf der Anrichte hinüber. Ich kann nicht, schien es zu sagen. Und ich dachte, wie oft ich im Laufe der Jahre wohl schon ein Telefon angestarrt und mir gewünscht hatte, es möge klingeln. Klingele. Klingele! Eines hatte ich mir mal direkt vors Gesicht gehalten. Es hatte eine andere Form gehabt, nicht so ein schickes, kleines Mobilteil wie das hier auf der Anrichte, nein, größer, quadratischer, der Hörer war mit dem Telefongerät noch über ein spiralförmiges Kabel verbunden.
    Ich öffnete das Fenster, um etwas Luft hereinzulassen. Ich konnte die anderen bei den Hunden hören, Hal und Dad versuchten wohl, Biba und Seffy aufzumuntern, gaben ihnen eine Aufgabe, mit der sie sich ablenken konnten. Wahrscheinlich spritzten sie den Zwinger auch gleich aus. Und ich dachte daran, wie gut Hal so etwas konnte, einen von Dingen ablenken. Ich erinnerte mich, wie ich aus meiner Abschlussprüfung gekommen war, das Gesicht blass vor Schock.
    »Nicht eine Frage. Nicht eine einzige Frage! Man hat mir King Lear versprochen, stattdessen kam nur Macbeth und Hamlet dran!«
    »Na und?«, hatte er schulterzuckend geantwortet. »Das macht doch nur einen Bruchteil der Note aus.«
    Ich hatte mir mit zitternden Fingern eine Zigarette aus einem zerknüllten Päckchen gefischt, mich gegen die Wand gelehnt und daran gezogen, während Horden von Studenten an mir vorbeimarschierten und über die Prüfungsfragen diskutierten.
    »Es ist ein Viertel. Die Tragödien sind ein Viertel!«
    »Ein Bruchteil, wie gesagt. Keine wirkliche Tragödie.«
    »Das ist kein Witz, Hal. Ich hatte so ein verdammtes Brett vor dem Kopf, dass ich Goneril und Reagan trotzdem reingebracht habe, mit dem Argument, dass
Shakespeare nach Ophelia genug von seinen neurotischen Heldinnen hatte und etwas mit Biss haben wollte.«
    »Und das wird die Prüfer ungemein beeindrucken. Schade, dass du nicht auch noch Draculas Bräute erwähnt hast, die hatten nämlich echt Biss. Komm, ich dachte, wir gehen jetzt in den Zoo.«
    »In den Zoo?« Erstaunt hatte ich eine Rauchfahne in die Luft geblasen. »Nein, nein, ich will jetzt in eine Kneipe, Hal, um meinen Kummer zu ertränken. Dazu brauche ich mindestens eine Flasche.«
    Aber er hatte darauf bestanden, und wir hatten einen total verrückten Tag im Zoo von Edinburgh verbracht und dafür gesorgt, dass die Tiere sich wohlfühlten, was laut Hal von großer Bedeutung war. Er sagte, es sei unhöflich so zu glotzen, wie es alle taten. Wie würden wir es wohl finden, wenn die Leute an unseren Häusern vorbeilaufen und hineinglotzen würden? Er meinte, wir müssten die Tiere unterstützen, sie mit einbeziehen. Deswegen trotteten wir an den Elefanten vorbei und schwenkten die Arme vor der Nase, wir kreischten und krakeelten bei den Affen, watschelten wie die Pinguine an ihrem Becken vorbei. Bei der Erinnerung an das Aquarium musste ich jetzt noch grinsen. Hal in seinem riesigen Mantel war eine schwimmende Meeresschildkröte gewesen und hatte schiefe Blicke geerntet, wir kicherten wie Kinder, die wir damals eigentlich auch noch

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