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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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Augen. Ich musste an den Mann denken, der mit seinem Kind auf dem Arm hereingeplatzt war. Mir fiel wieder ein, wie ich dann aus meinem Bett aufstand, wo Seffy in eine Wolldecke eingewickelt neben mir lag, und entsetzt zurückwich. Ich erinnere mich, wie ich zur Tür gestolpert bin und mich draußen erst einmal in ein Waschbecken übergeben musste. Danach war ich körperlich nicht in der Lage, wieder dort hineinzugehen. Stattdessen stolperte ich nur blind den überfüllten Korridor entlang, die Treppen hinunter, nach draußen auf die staubige Straße und dann davon. Ich blutete noch immer stark. Suchte mir einen Lastwagen, Teil eines Konvois, mit dem ich mitfahren konnte, alles nur um dort wegzukommen. Wie seltsam. Ich war das noch nie zuvor in meinen
Gedanken durchgegangen. Hatte mich nie wirklich daran erinnern können, ihn tatsächlich verlassen zu haben.
    Kit saß jetzt neben mir am Küchentisch. Seine Hand legte sich über meine, und durch diese Geste spürte ich, dass ich mehr hatte, als ich je zu hoffen gewagt hatte. Meine Familie war zwar anfänglich schockiert und entsetzt gewesen, aber sie würden mich nicht völlig verdammen. Es hatte im Laufe der Jahre Augenblicke gegeben, in denen ich mit dem Eindruck kämpfen musste, dass das Leben nicht immer freundlich zu mir gewesen war. Konnte es sein, dass meine Familie dasselbe dachte? Dass sie das Gefühl hatten, ich hätte wirklich einfach schlechte Karten erwischt? Wenn es so war, dann war das, wie ich wusste, Kits Verdienst, der mir ebenso wie Hal den Weg geebnet und ein bisschen verdeutlicht hatte, was mit uns dort draußen geschehen war.
    »Wenn du wirklich so ein emotionaler Krüppel bist, Kit, wie kommt es dann, dass sich in der Not alle an dich wenden, hm?«
    Ein leises Lächeln huschte über sein Gesicht. »Vielleicht, weil ich immer überall herumhänge wie bestellt und nicht abgeholt. Oder vielleicht ist es der Priesterkragen. Vielleicht glauben die Leute, dass ich eine Hotline zu Gott habe. Oder vielleicht liegt es auch daran, dass ich nicht die üblichen Anhängsel habe – keine Frau, keine Kinder — und dann meinen sie, irgendwelche Lücken schließen zu müssen. Es könnte auch sein«, meinte er leichthin, »dass sie wissen, wie vorsichtig ich mit mir selbst umgehe, und dass ich folglich auch mit ihnen vorsichtig sein werde.« Er stand auf und ging zum Fenster hinüber. »Es könnte jede Menge Gründe haben, Hattie, aber ich kann dir mit absoluter Sicherheit sagen, dass es
nichts damit zu tun hat, dass ich über besondere Lebensweisheit verfüge. Ich bin kein König Salomo. Ich habe keine Antworten. Ich bin nicht weise.«
    Er ließ das Wasser laufen, füllte sein Glas und trank es rasch aus. Vielleicht nicht, dachte ich, während ich ihm dabei zusah. Aber vielleicht eben doch.

29
    E in paar Tage später wurde Luca aus dem Krankenhaus entlassen, und seine Rückkehr hatte etwas Parabelhaftes an sich. Dieser verlorene Sohn, dieser junge Mann mit seinem Ferrari, seinen Armani-Klamotten, seiner Rolex, seiner schlauen und hinterlistigen Art, der scharfen Zunge, den bissigen Bemerkungen, die Laura und ihre Töchter derart außer Gefecht setzen konnten, dass Hugh sich hektisch um Schadensbegrenzung bemühen musste. Dieser schneidige junge Kerl wirkte auf einmal ganz anders, als er mit Daisy zusammen die Küche betrat. Zugegeben, er war schwer bandagiert, trug den Arm in der Schlinge und den Kopf in einem weißen Turban, aber es war nicht nur das. Es waren seine Augen. Während sie einen zuvor meist scharf angeblitzt hatten, um gleich darauf zur Seite zu gleiten, war sein Blick jetzt direkt und … wie sagte man, überlegte ich, ja, demütig. Sein Blick war demütig, während wir alle vom Mittagessen aufstanden, um ihn unter großem Hallo zu umarmen – aber nicht zu fest, wie Daisy uns warnte –, und verletzlich. Er wirkte nicht mehr ständig auf der Hut vor irgendetwas. Und als er sich zu uns setzte, zu mir und Mum, Dad, Seffy, Hugh, Laura, Biba, Hal und Cassie — oh, ja, Hal und Cassie — und als wir uns höflich und vorsichtig nach ihm erkundigten, da richtete er keine neuen Schutzmauern um sich auf und zog sich nicht wieder in sich zurück, wie er es sonst
immer getan hatte. Er gab auch keine ausweichenden Antworten. Nachdem er uns zunächst versichert hatte, dass er sich schon viel besser fühle, räusperte er sich sogar und erklärte, die ganze Angelegenheit sei ganz und gar seine Schuld. Es sei dumm von ihm gewesen, Daisy das Gewehr überhaupt

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