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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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ist?«
    »Ja.«
    Es fühlte sich an, als würde alle Luft aus mir herausgesogen. Kit blickte mich unverwandt an.
    »Du meinst … du hast es schon immer gewusst?«
    »Nein, erst seit Kurzem. Du hast das sehr geschickt gemacht, Hattie. Keiner hat etwas geahnt. Aber Seffy hat es mir erzählt.«
    Ich spürte, wie die Küche um mich herum ins Wanken kam und die Wände sich verschoben.

    »Er ist im letzten Sommer zu mir nach Blenheim gekommen. An einem Sonntag, von der Schule aus. Hat sich, während eines Gottesdienstes, den ich gehalten habe, hinten in die Kirche geschlichen. Ich habe einen ganz schönen Schrecken gekriegt.«
    Ich klappte den Mund wieder zu und befeuchtete mir die Lippen. »Und … und was hat er … was hast du …?«
    »Na ja, wir sind zusammen zum Pfarrhaus gegangen, und er hat mir alles ganz sachlich erklärt. Zu dem Zeitpunkt wusste er es schon seit einigen Monaten und hatte sich bereits ausreichend an den Gedanken gewöhnt, um es mir ohne allzu viele Emotionen erklären zu können. «
    »Aber warum hast du mir nichts davon gesagt?«
    »Weil er mich darum gebeten hat. Aber er hat mich auch gebeten, es Mum und Dad zu erzählen.«
    Ich bedeckte die Augen mit beiden Händen, als wäre das Licht, das durch das Fenster fiel, zu hell für sie.
    »Wir wissen es schon seit einer ganzen Weile, Hattie.«
    Ich stand von meinem Hocker auf und tastete nach einem Stuhl. »Aber warum wusste ich nichts davon?« Ich erkannte meine Stimme nicht wieder. Außerdem kannte ich die Antwort bereits. Hal hatte es mir gesagt. »Weil ich es ihm fünfzehn Jahre lang nicht gesagt habe?«
    Kit zögerte. »Zum Teil. Vielleicht. Aber nein, vor allem … glaube ich, dass er letztlich hoffte, dass du es ihm doch noch …«
    »Sagen würdest«, beendete ich den Satz flüsternd.
    Kit schwieg.
    »Er dachte, seine Mutter könnte sich vielleicht, wenn er sehr viel Glück hatte, irgendwann zu ihrem Sohn bekennen. Wenn man ihr Zeit ließ. Aber das habe ich nie getan.«

    Warum also hätte er es mir als Erster sagen sollen? Warum sollte ich dieses Privileg genießen, wenn ich es ihm nicht gegönnt hatte? Wie anmaßend von mir.
    »Und Mum und Dad …« Die Wände der Küche rückten jetzt immer näher, so wie meine Erniedrigung.
    »Die waren freudvoll, um ein biblisches Wort zu benutzen. «
    »Freudvoll?«
    »Natürlich. Warum nicht? Er ist einer von uns. Seffy gehört zu uns. Oh, anfänglich waren sie natürlich erstaunt und schockiert. Aber dann, nach einer Weile … ja, wirklich freudvoll.«
    Ich nickte und begann langsam zu begreifen.
    »Wie du selbst es sicher auch bist.«
    »Ich bin es immer gewesen«, sagte ich mit brüchiger Stimme. »Ich habe ja immer schon gewusst, dass er mein Kind ist. Und darüber war ich immer schon insgeheim überaus erfreut.« Meine Gedanken jagten im Kreis herum wie ein Hund nach seinem Schwanz. Ich versuchte, mir die Szene vorzustellen, wie Kit meine Eltern bat, sich hinzusetzen – wo, hier?
    »Zuerst habe ich mit Dad gesprochen, in London«, sagte Kit, der meine Gedanken erraten hatte. »Und er hat es dann Mum erzählt. Laura noch nicht, weil Seffy wusste, dass sie es dir irgendwann erzählen würde. Aber Christian hat er es gesagt. Er war übrigens der einzige, der es schon wusste. Er meinte, er hätte es von Anfang an vermutet.«
    » Christian ?«
    Kit runzelte die Stirn. »Der, mit dem du zusammengearbeitet hast.«
    »Ja, ich weiß schon, wer Christian ist.«
    Mein Mund ging gar nicht mehr zu. Beschämt ließ ich
den Kopf hängen. Was musste er von mir denken? Da, schon wieder! Immer nur ich .
    »Dass du eine sehr schwere Zeit durchgemacht hast, Hattie.« Ich hatte meine Frage laut ausgesprochen. »Eine traurige, einsame Zeit.«
    Plötzlich befand ich mich wieder im Krankenhaus von Dubrovnik, mitten in der Geburt unter furchtbaren Schmerzen. Um mich herum war nur Lärm, Verwirrung, Chaos; Granatenbeschuss auf der Straße, die Schule gegenüber wurde getroffen. Leute, die weglaufen, um irgendwo Schutz zu suchen, zerberstende Fenster. Ich weiß noch, dass ich, während ich nach irgendeiner fremden Hand griff, dachte, den Schmerz kann ich aushalten, aber nicht dieses Durcheinander, dieses entsetzliche Chaos. Bitte, bitte, macht, dass es aufhört. Ich will einfach nur ein bisschen Ruhe. Und dann war Seffy plötzlich ganz schnell da und in meinen Armen, und das Zimmer, auf das ich gebracht wurde, war voller Leute, die auf dem Boden saßen, eingehüllt in durchtränkte, blutbefleckte Bandagen, mit leeren

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