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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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da großzügig sein?
    »Oh, Cassie, das habe ich gar nicht verdient.« Ich war gerade dabei gewesen, Kartoffeln zu schälen, und so war das Spülbecken ein guter Ort, um mein Gesicht zu verbergen. Ich hatte meine Arbeit nicht unterbrochen und ihr daher den Rücken zugewandt, während ich immer schneller schälte. Aber sie hatte sich über die Abtropffläche neben mir gebeugt und nach einem Messer gegriffen, um mir zu helfen, und gesagt, dass sie ihrem Vater nicht wirklich einen Vorwurf mache. Ja, es war schlimm, dass er ihre Mutter betrogen hatte, aber ihre Mutter sei … anfällig. Konnte schwierig sein. Flatterhaft. Alle dachten, ihre Eltern hätten die perfekte Ehe geführt — alle Nachrufe hatten erwähnt, was für ein liebendes, vertrautes Paar sie waren — und dass Letty verständlicherweise aus Kummer angefangen hatte zu trinken. Aber … vielleicht stimmte das ja gar nicht? Hatte sie vielleicht schon vorher getrunken? Cassie musterte mich genau. Ich legte das Messer aus der Hand und trocknete mir sorgfältig die Hände. »Vielleicht war Daddy unglücklich oder sie beide zusammen waren unglücklich?«, fragte sie.
    Ich dachte daran, wie er Letty sanft ermahnt hatte, als sie schwanger war und dort draußen im Garten den Chablis hinuntergekippt hatte.
    »Ich glaube, wenn Hal nicht so eine treue Seele wäre,
dann würde er meinen Verdacht bestätigen«, erklärte sie mir jetzt und beobachtete dabei meine Reaktion.
    »Aber das hat er nie getan?«
    »Nein. Einmal habe ich ihn gefragt, ob Mum schon getrunken hat, bevor ich geboren wurde, aber da hat er nur eine belanglose Antwort gegeben wie — jeder trinkt manchmal gerne einen Schluck.«
    Ja, er würde sich Letty gegenüber loyal verhalten. Natürlich. Seine Schwägerin, die Witwe, die betrogene Ehefrau. Und vielleicht war es damals auch nicht mehr gewesen. Dass sie ab und zu mal gerne etwas trank. Ich hatte sie nur einmal getroffen — wie sollte ich das beurteilen? Ich fragte Cassie, wo ihre Mutter jetzt war.
    »Im Priory Hospital in London. Da ist sie häufiger«, sagte sie, nachdem sie mein schockiertes Gesicht bemerkt hatte. »Sie weist sich selbst ein. Oder Hal und ich tun es für sie.«
    In diesem Augenblick wurde mir klar, womit Cassie fertig werden musste. Ganz allein. Schon seit Langem. Warum sie Seffy und mich sehr dringend brauchte. Hal war natürlich immer für sie da gewesen, aber jetzt … nun ja, von jetzt an würde das Ganze eine noch viel stabilere und homogenere Basis haben. Seffy und Cassie und Hal und ich. Schön für sie, hoffte ich. Und auch schön für Seffy.
    Während Hal und ich an diesem Nachmittag so in der Herbstsonne spazieren gingen, kam es mir in den Sinn, dass wir an einem Fluss entlangschlenderten, wie wir es wohl eines Tages auch in Frankreich tun würden. Vielleicht schon nächsten Sommer in seinem Garten, während Seffy und Cassie unter der mit Bougainvilleen umrankten Pergola oben auf der Terrasse Backgammon spielten. Ihr Lachen klang zu uns herunter. Später würden wir dann
alle in der Dämmerung im flackernden Schein der Kerzen draußen zu Abend essen, während die Zikaden im hohen Gras zirpten. Eine große Schüssel Nudeln oder vielleicht eine duftende Bouillabaisse. Wir vier würden bis lange in die Nacht dort sitzen, reden und lachen, und wenn meine Fantasien dabei eher das große Ganze im Auge hatten und weniger die Details meines Herzschlags, dann musste man sich nur einmal anschauen, wohin mich mein Herzschlag bislang geführt hatte: Ich hatte mich immer nur mit Männern eingelassen, die sorglos mit meinen Gefühlen umgingen und willkürlich über meinen Geist verfügten. Nein, mein Ziel war nun ein ruhiges Leben mit Hal, frei vom Auf und Ab von Leidenschaft und Verzweiflung. Und endlich einmal musste ich nichts überstürzen, denn ich wusste, dass Hals Pläne für mich langfristiger Natur waren. Ich wusste, dass an diesem Mann nichts flüchtig oder kurzlebig war und dass seine Liebe dauerhaft war. Ich fühlte mich so sicher. So getröstet und geborgen, als wäre ich endlich irgendwo im Weichen gelandet, nach Jahren dort draußen.
    Wir spazierten weiter an diesem höchst englischen Fluss entlang, in dem das Wasser frisch und klar über die Kiesel plätscherte und das hohe Schilf am Ufer umspielte, gingen immer weiter im schwindenden Licht, bis wir an die kleine, steinerne Brücke kamen. Dort blieben wir stehen, dort wandte ich mich zu ihm um, und dort nahm er mich in die Arme und küsste mich, ganz anders als bei

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