War da noch was - Roman
legte er den Stift mit Schwung beiseite und setzte ein strahlendes Lächeln auf, während er um seinen Schreibtisch herumging. Sie erhob sich ebenfalls.
»Und am Dienstag ist Bridgeabend«, hörte ich sie murmeln, inzwischen mit verminderter Energie und herabgesackten Schultern.
»Stimmt!«, sagte Dominic und nahm ihren Arm, um sie nach draußen zu geleiten. »Wie schön. Ich freue mich schon darauf. Kann’s kaum erwarten. Auf Wiedersehen, Martha!«
Er winkte ihr übertrieben lächelnd an der Tür hinterher. Dann wandte er sich um und kam zurück. Er sah erschöpft aus.
»Sie machen da mit?«, fragte ich erstaunt.
»Das ist die einzige Möglichkeit. Wenn man ihr widerspricht, wird sie angriffslustig und uns bleibt irgendwann nichts anderes übrig, als die Polizei zu rufen. Noch jemand, Amanda?«
»Nein, das war’s.«
»Gott sei Dank. Kommen Sie, packen wir unsere Sachen und dann nichts wie nach Hause.«
Der Rest des Wochenendes verflog in einer entspannten Landhausatmosphäre. So etwas hatte ich bislang noch nicht kennengelernt. Der Tagesablauf gliederte sich in herzhafte Frühstücke, lange Spaziergänge, Mittagessen im Pub und fand seinen Höhepunkt in einer kleinen Abendeinladung der Forbes am Sonntagabend.
»Ein grausiges Ritual, das wir Politikerfrauen regelmäßig ausrichten müssen«, vertraute mir Letty in der Küche an, während wir dabei waren, Zitronen und Gurken
in Scheiben zu schneiden. »Ich mache es ungefähr einmal im Jahr. Alles, was Rang und Namen hat, kommt. Die meisten sind schon über siebzig, und selbst die Männer haben lila getönte Haare. Sie werden sich amüsieren«, versprach sie mir und weckte düstere Vorahnungen.
»Aber wer mag denn am Sonntagabend ausgehen?«
»Oh, unterschätzen Sie den Neugierfaktor nicht.«
Wie wahr. Um Punkt sechs füllte sich das Haus, als wäre plötzlich eine Busladung mit einer Senioren-Reisegruppe eingetroffen. Wache Blicke, denen nichts entging, schossen wie Elstern im Wohnzimmer umher. Zwischen den ganzen alten Leuten war auch ein Kindheitsfreund von Dominic namens Hugh, dessen Eltern in dem großen Haus auf dem Hügel wohnten und der übers Wochenende mit seiner Frau Carla hergekommen war, einer gelangweilten Schönheit, die ihre langen Beine auf dem Sofa zusammenfaltete, um dort eine Zigarette nach der anderen zu rauchen und von Zeit zu Zeit ihren kleinen Sohn anzumeckern. Er war ein dünnes, unattraktives Kind mit einem verkümmerten Arm, und drückte sich unglücklich herum. Aber Hugh war umso netter und amüsanter. Er zeigte mir die Honoratioren und Vertreter des Landadels und plauderte ein wenig mit allen, als sie herkamen, um ihm begeistert die Hand zu schütteln. Und wenn sie dann wieder davonzuckelten, flüsterte er mir ins Ohr: »Wirtschaftsprüfer. Saß zwei Monate wegen Unterschlagung in einem offenen Gefängnis in Hastings.«
»Nein!«
»Sehen Sie seine Frau dort drüben? Die nette alte Dame in Beige? Hat 1967 ihre Schwester ins Knie geschossen, damit die nicht mit ihrem Lover durchbrannte. Der Lover ist übrigens jetzt der Wirtschaftsprüfer.«
»Und was ist mit dem mit der Augenklappe?«
»Unehrenhaft entlassener Standartenträger der British Legion. Wie sich herausstellte, hat er gar nicht in der Armee gedient, und mit seinem Auge ist auch alles in Ordnung. Beim letzten Tag der Veteranen haben sie ihm die Flagge weggenommen, weil er sie nicht freiwillig hergeben wollte. Unschöne Szene am Kriegerdenkmal auf dem Dorfplatz.«
Ich kicherte. So verging ein vergnüglicher Abend, wozu natürlich auch der reichliche Genuss von Pimm’s beitrug, während ich Hughs zweifellos nicht immer wahrheitsgetreuen, aber umso farbigeren Streiflichtern auf die Gemeinde lauschte.
»Sie gehen also nicht davon aus, dass Sie hierher zurückkommen könnten, um sich unter die braven Bürger von Thame zu begeben? Ich meine, vermutlich wird das Haus doch eines Tages Ihnen gehören.«
»Sie machen Witze«, zischte Carla, die ihren Stammplatz kurzzeitig verlassen und sich zu uns gesellt hatte. »Wenn isch müsste hier leben, isch würde mir Handgelenke aufschlitzen. Nein, wir leben in London und Firenze, nicht wahr, Hughie?«
»So ist es«, bestätigte Hugh traurig.
»Komm.« Carla drückte ihre letzte Zigarette in einer Topfpflanze aus. »Zeit zu gehen. Isch halte es nicht mehr aus. Arme, arme Letty«, bedauerte sie ihre Gastgeberin. »Sie wird hier eingehen«, vertraute sie mir mit gedämpfter Stimme an. »Wie alle hier. Ihre Haare werden
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