War da noch was - Roman
Palmer macht sich Sorgen«, vertraute Dominic mir in der Weinbar an, in die wir oft auf einen kleinen Schluck nach der Arbeit gingen. »Der Premierminister ist besorgt wegen dieser ganzen Korruptionsvorwürfe. Er droht mit einer völligen Umbesetzung der Regierungsposten. Und wenn Tony sich Sorgen macht, sollte ich das vielleicht auch. Vielleicht werde ich meinen Job als Parlamentarischer Geschäftsführer verlieren.«
»Ach, Unfug, natürlich nicht«, beruhigte ich ihn, wie so oft in der letzten Zeit, manchmal auch bei einem gemeinsamen Abendessen.
Nun ja, er war einsam in seiner kleinen Wohnung in Westminster. Und Letty hatte keine unkomplizierte Schwangerschaft. Beim Autofahren wurde ihr übel, und sie hasste Züge. Also kam sie kaum noch nach London. Sie sahen sich selten, ein Problem, auf das wir, unter anderem, gelegentlich zu sprechen kamen. Manchmal kochte ich ihm etwas in meiner Wohnung, die ich mir mit Laura teilte. Es war ein ziemlich schickes Apartment in Pimlico, das wir uns dank Lauras Karriere als Model leisten konnten. Dominic staunte nicht schlecht, als er Laura zum ersten Mal sah – wie alle –, so schön war sie. Selbst mit gebrochenem Herzen, an dem sie gerade litt, da sie von einem bekannten Schauspieler-Schnösel sitzen gelassen worden war. Sie war verletzt und weinerlich und wollte nicht ausgehen, aber sie suchte Gesellschaft, und so passte es uns allen gut. Vor allem mir. Ich hatte große Angst vor meinen Gefühlen für Dominic und wusste, wie wichtig es war, nicht mit ihm allein zu sein. Also keine Drinks mehr in der Weinbar und auch kein Essen im Roussillon, hatte ich beschlossen. Nur hier in der Wohnung und nur, wenn Laura dabei war.
Die Gesellschaft wurde zu meiner Sicherheit noch erhöht, als Dominic eines Abends Hugh mitbrachte. Aber es war ein anderer Hugh als der witzige, lockere, den ich in Buckinghamshire kennengelernt hatte. Carla hatte ihn verlassen und war mit Luca nach Florenz gezogen. Endgültig.
»Sie hält es einfach nicht mehr aus in England«, erklärte er uns, während er mit blasser Miene an einem Whisky nippte. »Und mich hält sie anscheinend auch nicht mehr aus.«
Beim folgenden Abendessen floss der Alkohol in Strömen, bis um zehn Uhr Dominics Handy klingelte und er
ins Parlament musste, um abzustimmen. Ich begleitete ihn die drei Treppen bis zur Eingangstür hinunter. Als er sich umdrehte, um auf Wiedersehen zu sagen, betrachtete er mich einen Augenblick.
»Komm, begleite mich«, sagte er spontan.
Ich hielt den Atem an. Zurück zum Parlament spazieren, an einem schönen Frühsommerabend.
»Es dauert nur zehn Minuten, dann können wir wieder hierher zurückgehen.«
Bis dahin hätte sich eine samtene Nacht herabgesenkt, vielleicht mit ein paar Sternen am Himmel.
»Nein«, ich schüttelte den Kopf. »Ich bin müde. Ich trinke noch ein Glas Wein, und dann gehe ich ins Bett.«
Er nickte, aber seine Augen hielten die meinen etwas länger fest als unbedingt notwendig. Und dann wandte er sich um und ging.
Während ich langsam die Treppen wieder hinaufstieg, schlug mir das Herz bis zum Hals. Oh Gott, oh Gott. Das war nicht gut. Gar nicht gut. Ich wollte gerade in die Küche zurück zu Laura und Hugh gehen, als ich vom Flur aus zwei Köpfe tief über den Küchentisch gebeugt sah, die beide Geschichten von jüngstem Herzeleid zu erzählen hatten. Die Flasche Wein ging schon zur Neige. Sie bemerkten mich nicht einmal. Ich machte kehrt und ging über den Flur ins Bett.
7
A uf das, was jetzt kommt, bin ich nicht besonders stolz, und deswegen werde ich mich auch nicht lange damit aufhalten. Stattdessen werde ich die Geschichte wohl nur in groben Zügen erzählen. Die Kabinettsumbildung sollte in zwei Wochen verkündet werden. In den Tagen davor war die Atmosphäre im Parlament angespannt. Alle standen unter Strom. Jeder war in Sorge um seinen Job, und es wurde vermutet, dass Dominic, in seiner Funktion als Parlamentarischer Geschäftsführer, einen guten Draht zum Premierminister hatte. Während ich neben ihm die Flure im Portcullis House entlangeilte – Katya schaffte es momentan nur dreimal die Woche her – die Arme voller Unterlagen, mit klappernden Absätzen, traten immer wieder Gestalten in dunklen Anzügen aus dem Schatten: »Kann ich dich kurz sprechen, Dom?« Eine fast unheimliche Déjà-vu-Situation.
Dominic blieb dann entweder kurz stehen, nahm sich ein paar Minuten Zeit für ein Gespräch und beruhigte die Leute oder er entschuldigte sich höflich, er
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