War da noch was - Roman
Hilfskräfte auf dem Rücksitz nun, nachdem sie merkten, dass wir aus der direkten Gefahrenzone heraus waren, nach vorne beugten, um Fragen zu stellen. Von Zeit zu Zeit warf Fabianne etwas in gebrochenem Englisch ein, aber in erster
Linie redete Kit. Ich hörte mir seine Antworten schweigend an. Etwa viertausend Menschen, schätzungsweise, waren in Omarska getötet worden, darunter der Großteil der Intellektuellen von Prijedor: Lehrer, Rechtsanwälte, Politiker – das waren die Leute, hinter denen sie eigentlich her waren, aber sie nahmen jeden. Jeder gebildete Mensch, der ihnen in die Quere kam. In Srebrenica und Sarajevo hatte das Militär die Universitäten überfallen und Professoren und Studenten wurden täglich eingekreist. Ebenso wie ihre Familien. Einige wurden auf der Stelle erschossen, andere wurden in Lager geschickt. Keiner wusste, wem er noch vertrauen konnte. Ich erfuhr, dass die Leute ihre Peiniger kannten, mit ihnen aufgewachsen und zur Schule gegangen waren.
»Wie damals bei den Juden und den Nazis in Deutschland? « Das war mein einziger Kommentar, den ich mit leiser Stimme vorbrachte.
»Genau. Und keiner hätte gedacht, dass so etwas noch einmal geschehen könnte.«
Die Jungs auf dem Rücksitz waren wesentlich informierter, als ich es war. Ich lauschte, während sie sich bestätigen ließen, was sie bereits befürchtet hatten. Gräueltaten, von denen sie über Reuters und andere Nachrichtenagenturen zu Hause erfahren hatten. Alles traf zu.
Schließlich erreichten wir eine lange, staubige Straße, auf der wir alle in Schweigen verfielen. Wir fuhren nun in Richtung der Berge, und eine schöne, majestätische Kulisse stieg vor uns empor. Fabianne schaltete mühsam von einem Gang in den anderen, und wir wurden hin und her geschüttelt, bevor es schließlich bergauf ging. In den sanften Hügeln des Vorlandes tauchte hier und dort ein kleines Dorf oder zumindest die Überreste davon auf. Eine zerstörte Moschee hier, ein paar Häuser ohne Dächer
dort, endlose Schutthaufen. Hühner pickten im Dreck herum, und ein magerer brauner Hund schlich vorbei. Ein Häuflein Leute stand am Straßenrand, ein paar alte Männer und eine große Frau, ein paar Kinder lugten hinter ihrem Rock hervor wie Mäuschen. Die Frau folgte unserem Wagen mit ängstlichem, stumpfem Blick.
»Haben sie Angst vor uns?«, fragte ich.
»Sie haben vor allen Angst. Aber sie sehen Aide Humanitaire auf der Seite, und dann wissen sie, dass alles okay ist.«
Kit deutete auf eine zerschossene Schule, dann auf ein Zelt, das als provisorisches Krankenhaus diente. Seine Hände waren gebräunt und sehnig, seine Stimme stark, nicht brüchig, wie sie am Telefon geklungen hatte, sachlich jetzt, nicht emotional. Ich war sehr stolz auf ihn. Und fühlte mich klein.
Serbische Checkpoints mussten überquert, Papiere kontrolliert werden. Sehr junge Soldaten mit Gewehren im rechten Winkel zur Brust gehalten kamen ans Fenster. Mein Herz fing an zu klopfen, als sie meine Papiere, dann Kits, dann Fabiannes überprüften. Sie gingen nach hinten und kontrollierten Brett und die Jungs, kamen zurück und stellten Kit ein paar Fragen, die aggressiv klangen. Er zuckte mit den Schultern. Sie fluchten und gingen dann um den Wagen herum, um ein paar Kisten von der Ladefläche zu heben.
»Was haben sie da gemacht?«, flüsterte ich, als sie uns schließlich weiterwinkten.
»Sie haben sich Nahrungsmittelpakete genommen. Und sie sind sauer, weil wir normalerweise mehr dabei haben, aber heute nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil wir wussten, dass sie alles wegnehmen würden.
Wir fahren normalerweise nachts, wenn nur ein paar hier am Checkpoint Wache schieben, und dann werden nur ein paar Kisten weggenommen. Aber tagsüber schwärmen sie um uns herum wie die Fliegen. Sie behaupten, es ginge an serbische Zivilisten, aber das ist Quatsch. Sie behalten es selbst, die Soldaten. Das ist dann ihre Ration für die nächsten paar Wochen.«
»Aber das ist doch ungeheuerlich. Ihr seid doch neutral, oder? Durch die UN geschützt.«
Kit zuckte die Schultern. »Was kann man machen? Nichts. Sonst beschuldigen sie dich, du würdest Waffen in die Stadt schmuggeln.«
»Und wie viel habt ihr normalerweise dabei?«
»Zwanzig Tonnen ist die Grenze, und wir haben fünf Lastwagen. Andere Verteilerstellen haben viel mehr, aber wir sind ziemlich klein.«
»Und ihr liefert das aus? Die Nahrungsmittel? Ich meine, ihr selbst? Ich dachte, du würdest nur die Kisten packen. «
»Das mache
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