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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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genauso steril und austauschbar wie alle anderen europäischen Airports, aber damit hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Nach der Zollkontrolle kamen wir in eine Halle, die brechend voll, laut, heiß und unglaublich stickig war. Angst und Panik waren überall zu spüren, auf den Gesichtern der Frauen in Kopftüchern, die Kinder an den Handgelenken hinter sich her zerrten, in den Stimmen der Männer, die einen Arm in die Höhe rissen und ihnen zuriefen, sie sollten folgen. Und bei den Alten und Verwirrten, deren Augen angsterfüllt hin- und herschossen und die unter dem Gewicht kostbarer Bündel ächzten. Fast alle wollten das Land verlassen oder versuchten es zumindest. Anders als wir. Wir bewegten uns gegen den Strom, versuchten dem Hauptverkehr auszuweichen, blieben in der Nähe der Wände, wo wir auf bewaffnete Soldaten stießen mit kalten Gewehren und versteinerten Gesichtern, während wir unsere UN-Pässe, um den Hals gehängt, immer vor uns hielten.
    Mein Vater hatte ein paar Kontakte bemüht, widerstrebend, nachdem Kit ja gesagt hatte. Ja, ich könnte als freiwillige Helferin zu ihm kommen. Aber nur um Lebensmittelpakete zu packen. Und nur an der Küste, wo es sicher war. Aber ja, er konnte die Formalitäten beschleunigen. Es herrschte Chaos, sie brauchten wirklich Hilfe.
Dennoch benötigte ich einige Papiere, und Dad, der spürte, dass etwas mit mir geschehen war, dass ich es wirklich brauchte, hatte seine Pressekontakte aktiviert. Außerdem hatte er seine verzweifelte Gattin beruhigt, die völlig außer sich war bei dem Gedanken, demnächst zwei ihrer Kinder in einem Kriegsgebiet zu wissen, und dann war ich, gemeinsam mit einem Fotografen des Independent abgeflogen.
    »Kommst du klar?«, rief mir Paul, mein Fotografenfreund, noch zu, als uns die Menschenmenge auseinanderzutreiben drohte. Er ging in Richtung eines Mannes mit Sonnenbrille, der mit einer Karte mit seinem Namen darauf herumwedelte. Ich bekam Panik. Nein, war meine überwältigende Reaktion, nein, ich komme nicht klar, und ich versuchte ihm durch das wilde Gemenge zu folgen. Aber dann sah ich Kit.
    »Ja – da ist mein Bruder!«
    Dabei hatte ich ihn kaum wiedererkannt. Mindestens zehn Kilo leichter – dabei war er auch vorher schon dünn gewesen. Seine Wangen waren eingesunken, seine Haare lang, sein Gesicht sonnenverbrannt. Seine Blicke fuhren über die Menge.
    »Kit!«
    Er sah mich und boxte sich zu mir durch. Wir umarmten uns. Rasch stellte er mich einem Kollegen vom Roten Kreuz vor. Brett, ein Holländer, war ebenso braun gebrannt und schmal. Dann führten sie mich hinaus. Durch einen weiteren Schwarm von Menschen bahnten wir uns den Weg zu einem Pritschenwagen. Der Motor lief, eine junge Frau saß am Steuer und ließ ihn ungeduldig aufheulen. Sie hatte den Tank voller Benzin, wie mir Kit erklärte, während wir darauf zueilten, und das war wie Goldstaub. Man durfte nicht riskieren, dass es einem mit
vorgehaltener Waffe geraubt wurde. Brett rannte nach hinten und sprang auf die Ladefläche, während Kit mich vorne hineinschob. Hinter uns im Führerhaus saßen drei junge Iren, ebenfalls Hilfskräfte, eng gedrängt mit ihren Rucksäcken. Sie waren offensichtlich ebenfalls gerade angekommen, und Kit machte deutlich, dass er nicht seinen Posten hätte verlassen und mich abholen können, wenn diese drei nicht gewesen wären. Ich hätte auf eigene Faust quer durch Italien fahren und über die Grenze gelangen müssen. Als Brett von hinten aufs Dach schlug, ließ Fabianne, die schweigsame Französin, die Kupplung kommen, und wir rumpelten die Hauptverkehrsader von Split entlang, die von zerbombten Häusern gesäumt war und auf der es von Militär nur so wimmelte. Wir schlängelten uns durch die gepanzerten Fahrzeuge und wirbelten dicke Staubwolken hinter uns auf. Die Sonne war ein riesiger, schimmernder Kreis am Horizont, und trotz der offensichtlichen Anspannung, die in der Luft lag und aus den Gesichtern meines Bruders und seiner Kameraden abzulesen war, verspürte ich ein gewisses Hochgefühl, während wir so durch die Stadt preschten. Ich war hier. Ich hatte es geschafft.
    Kit und Fabianne schwiegen, und ihre Augen wanderten die ganze Zeit wachsam von einer Seite auf die andere, bis wir die Stadt verlassen hatten. Erst als wir in die überraschend grüne, malerische Landschaft hinausfuhren, entspannten sie sich ein wenig und nickten sich erleichtert zu. Ich war beeindruckt von Kits neuer, ernster Ausstrahlung, erst recht, als sich die neuen

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