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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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ich jetzt«, sagte er kurz angebunden. »Erst seit Kurzem. Und normalerweise nur in Dörfer, die sind einigermaßen sicher.«
    »Und wo ist es nicht sicher?«
    »Sarajevo.«
    »Warst du schon mal da?«
    »Ja.«
    »Wie oft?«
    »Ein, zwei Mal.«
    »Wissen Mum und Dad das?«
    »Nein. Also, Dad vielleicht.«
    Hilfslieferungen nach Sarajevo hineinbringen. Ich wollte gar nicht wissen, wie gefährlich das war. Mir war klar, dass selbst mit der Aufschrift für humanitäre Hilfe auf
den Fahrzeugen Regeln gebrochen wurden und er sein Leben riskierte.
    »Aber dort, wo wir jetzt hinfahren«, fuhr er rasch fort, als könnte er meine Gedanken lesen, »was im Wesentlichen die dalmatinische Küste ist, dort ist es sicher. Du wirst schon sehen.«
    Außer für den dreifachen Vater, dachte ich. Kits Freund, den Arzt, der von den Heckenschützen erschossen worden war. Nur relativ sicher. So wie die Straße, auf der wir uns jetzt befanden, obwohl »Straße« reichlich hoch gegriffen war. Eine dünne, aufgeschüttete Schotterschlange voller Schlaglöcher, die sich durch die Berge wand. Rechts und links fielen die bröckelnden Felsen jeweils in bedrohlichem Winkel nach unten ab. Sie schien mir alle erforderlichen Eigenschaften zu besitzen, die zu einem schweren Unfall führen konnten, und ich fragte mich, wie dieser schwerfällige Pritschenwagen hier im Dunkeln durchkam, wenn sie normalerweise nachts fuhren. Als ich das Kit gegenüber zur Sprache brachte, zuckte er nur die Schultern und meinte, man gewöhne sich daran, obwohl es natürlich nicht besonders hilfreich wäre, keine Scheinwerfer zu haben.
    »Keine Scheinwerfer?«
    »In diesen Hügeln hier wimmelt es von Heckenschützen. Da will man nicht auf sich aufmerksam machen.«
    Natürlich nicht, dachte ich, und schaute den steilen Abhang in die Schlucht und in den sicheren Tod hinunter.
    »Und obwohl wir eigentlich nur ein bisschen weiter von Split aus die Küste hinunter müssen, ist diese Strecke durch die Berge viel sicherer als die Küstenstraße.«
    »Okay«, sagte ich matt und schloss die Augen, während die zwei Tonnen des Lastwagens um eine Haarnadelkurve schlitterten und dabei keuchten.

    In Heronisque, wo wir stationiert waren, entspannte ich mich dann ein wenig. Ein hübscher Küstenort mit einem mediterranen Flair, wenn auch heruntergekommen und stellenweise offensichtlich zerschossen. Dennoch verlief das Leben hier in relativ geregelten Bahnen. Wenn es Abend wurde, saßen alte Männer auf einem staubigen Platz und ließen Perlenschnüre durch ihre Finger gleiten, ein paar Frauen eilten geschäftig mit Einkaufskörben in die rot gefliesten Häuser, ein paar Kinder spielten auf der Straße, und Hunde trotteten ungerührt vorbei. Von Zeit zu Zeit war eine kleine Salve von Schüssen von den Hügeln her zu hören, was sich anhörte wie eine Fehlzündung bei einem alten Motorrad aus der Ferne. Abgesehen davon hätte man beinahe in Italien oder Griechenland sein können, fand ich.
    Ein altes Bootshaus am Kai war zur Verladestation umfunktioniert worden, und dahin brachte Kit mich zuerst. Draußen standen die anderen Lastwagen und drinnen arbeiteten etwa ein Dutzend Leute, die damit beschäftigt waren, Unmengen von Kisten mit Nahrungsmitteln und anderen Notwendigkeiten, wie Medikamenten, zu kontrollieren und zu verladen. Alle Nationalitäten waren hier vertreten: Schweden, Deutsche, Franzosen, Spanier. Bei unserem Anblick unterbrachen sie ihre Arbeit, sie wirkten müde und erschöpft, hießen mich aber alle freundlich willkommen, als Kit mich vorstellte. An diesem Abend saßen wir mit überkreuzten Beinen auf dem Boden bei einem schnell gekochten Essen aus Dosenvorräten, die über einem Gaskocher am Eingang des Lagerhauses zubereitet wurden. Ich blickte mich um, hörte den Gesprächen zu und wusste, dass es das Richtige war. Ich wusste, dass es richtig gewesen war hierherzukommen, auch wenn, wie mir im Laufe
des Abends immer deutlicher wurde, mein Bruder nicht hierbleiben würde.
    »Wo gehst du hin?«, fragte ich ihn, als er rundum gute Nacht wünschte und Hände schüttelte. Er warf mir einen prüfenden Blick zu und verabschiedete sich von mir als letztes.
    »Mit den irischen Jungs nach Telospique. Da haben wir noch eine Verladestation, und die brauchen mehr Leute. Da kommen noch mehr Hilfsgüter aus Schweden an.«
    »Wo ist Telospique?«
    »Ungefähr fünfzig Kilometer von hier.«
    Ich wollte sagen – aber wo wir doch Bruder und Schwester sind, könnten wir doch bestimmt

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