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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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zusammenbleiben – aber ich wusste, dass es so nicht lief.
    »Näher an den Kämpfen?«
    »Ein Stückchen, ja. Auf jeden Fall näher an der Frontlinie. «
    Ich nickte und schwieg.
    »Aber du bist hier in Sicherheit.«
    »Ich weiß.«
    Dann umarmten wir uns mit Tränen in den Augen. Hielten uns fest umklammert. Es war dunkel, eine schwüle Nacht war hereingebrochen mit einem großen, rostigen Mond, und nur das Plätschern der Wellen am Kai unterbrach die Stille. Dann ließ hinter uns einer der Pritschenwagen sein cholerisches Dröhnen ertönen. Ich blickte hinüber und sah die schweigsame Fabianne am Lenkrad, die den Motor aufheulen ließ. Kit stieg neben ihr ein, und diesmal machte ich es ihm nicht schwer. Fragte nicht, ob Dad es wusste. Aber während ich ihnen hinterhersah, dachte ich darüber nach, wie ich in den letzten paar Stunden meinem Bruder so nahegekommen war wie noch nie zuvor. Wann ich ihn wohl wiedersehen würde?

    Ich stürzte mich auf die Arbeit im Lagerhaus. Es war harte, körperliche Plackerei, geisttötend in ihrer Monotonie – kontrollieren, packen, Kisten schleppen, einem Lastwagen einen Abschiedsklaps geben, wenn er fertig beladen war und ihm dann die Hände in die Hüften gestemmt hinterhersehen, wie er sich im Konvoi in die Hügel hinaufschlängelte. Eine kurze Pause. Aber ich war froh, dass es so war. Genau deswegen war ich hierhergekommen, um mich selbst zu vergessen, um zu helfen, und wenngleich es zu keiner Zeit vergnüglich war, so war es doch heilsam. Ich lernte ein paar Brocken Französisch, Schwedisch und Deutsch von den Leuten um mich herum – obwohl alle untereinander Englisch sprachen – und ich lernte viel über das Leben. Vor allem von der Familie, bei der ich untergebracht war.
    Ich hatte irgendwie die vage, unklare Vorstellung gehabt, dass alle Hilfskräfte gemeinsam untergebracht sein würden, aber das war natürlich schwer machbar und so waren wir über die ganze Stadt verteilt. Im Gegensatz zu den meisten anderen, die im Stadtzentrum wohnten, wohnte ich eher am Stadtrand in einem winzigen Haus, das am Berg gelegen war. Wild bellende Hunde lebten auf dem Hof draußen und drei Generationen der Familie drinnen. Eine uralte Großmutter, die sich nur sehr selten aus ihrem Ohrensessel beim Feuer wegbewegte und immer ganz in Schwarz gekleidet war einschließlich einer Art Haube auf dem Kopf, stand der Familie vor – so kam es mir zumindest vor. Keiner sprach Englisch. Ein alter Mann, ihr Ehemann, ebenso hochbetagt und gekrümmt, verbrachte viel Zeit damit, die Hunde anzuschreien. Die Schwiegertochter, Ibresqua, genannt Ibby, machte alle Einkäufe, putzte, kochte und versuchte, dem Acker hinter dem Haus eine magere Gemüseernte zu entlocken. Mona,
ihre sechsjährige Tochter mit Rattenschwänzen und olivfarbener Haut, half ihr dabei. Ibbys Ehemann, der Sohn der beiden Alten, war in den Bergen und kämpfte gegen die »Tschetniks«, wie ich erfuhr, und obwohl die anderen Männer des Dorfes etwa einmal pro Woche zurückkamen, war er seit einer ganzen Weile nicht mehr da gewesen. Ibby erwartete ihr zweites Kind, sie war freundlich, aber sehr beschäftigt. Mona lächelte mich schüchtern hinter vorgehaltener Hand an. Die beiden Alten sprachen gar nicht mit mir. Gegessen wurde im Bootshaus mit den anderen Hilfskräften und so stellte mir diese Familie nur ein stilles Bett, für das ich dankbar war. Mein Zimmer war ein schmaler Raum mit einem eisernen Bettgestell samt dünner Matratze und einem kleinen hölzernen Tischchen mit Kruzifix darüber. Auf der gegenüberliegenden Wand hing ein Foto von einem kräftigen jungen Mann mit einem üppigen schwarzen Schnurrbart, der vermutlich Ibbys Mann war. Und so schaute ich jeden Abend, wenn ich mich nach einem Arbeitstag und der Anstrengung den ganzen Tag unter Fremden zu sein, die nur wenig Englisch sprachen, hinlegte, auf Ibbys Mann, bevor ich einschlief. Erst dann gestattete ich mir einen Gedanken an Dominic.
    So vergingen die Wochen. Ein oder zwei Mal sah ich Kit, aber ich hatte immer das Gefühl, dass er sich extra darum bemüht hatte, mit einem Konvoi unterwegs zu sein, der nach Heronisque fuhr. Das Letzte, was ich wollte, war ihm zur Last zu fallen, und daher versicherte ich ihm bei seinem nächsten Besuch, dass ich gut zurechtkam. Ab da sah ich ihn nicht wieder.
    Tag für Tag packte und belud und tätschelte ich diesen Lastwagen, und Abend für Abend kehrte ich nach dem Abendessen leise zurück in mein Haus am Hügel, wo die
Hunde

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