War da noch was - Roman
meinen Füßen. Mum war mir eine tolle Hilfe, und sie brachte mich dazu, dass ich ihr Seffy einmal pro Woche für einen ganzen Tag überließ, damit ich »raus« kam, wie sie sagte: wieder am richtigen Leben teilnahm und den Anschluss nicht verlor.
»Welchen Anschluss?«, jammerte ich dann, wenn sie mich zur Tür hinausscheuchte.
»Was immer du willst«, sagte sie bestimmt und schaukelte Seffy in ihren Armen. »Geh und denk nach, geh und lauf in den Straßen rum, und schau, was dir gefällt.«
Na toll, dachte ich dann, während ich die Avenue Road zur U-Bahn-Station entlangtrottete. Was mir gefällt, als läge mir die verdammte Welt zu Füßen. Aber meine Mutter war eben nicht nur elegant und auf Äußeres bedacht, sie war eine Macherin. Sie war es, die die Zeitungen angerufen und verlangt hatte, man solle sich die Arbeiten ihres Mannes ansehen, als Dad zu zurückhaltend war, um sie damit zu belästigen. Sie hatte Laura zu Storm, der Modelagentur, geschleppt. Aber jetzt träumte sie wohl, dachte ich. Ich konnte wohl kaum einen Job als Sekretärin für einen Tag pro Woche bekommen – worauf ich ohnehin keine Lust hatte. Der einzige Grund, dass ich mich je hinter eine Tastatur geklemmt hatte, war die Nähe zu Dominic gewesen. Aber auch, wenn ich in einem Laden oder einem Café an nur einem Tag pro Woche aushelfen wollte, würde man mich auslachen. Was erwartete sie von mir?
Aber meine Mutter ist nicht nur eine Macherin, sondern sie ist auch schlauer als sie aussieht, und die Zeit allein tat mir gut. Grundsätzlich kam ich frischer und energiegeladener zurück, als ich weggegangen war. Vielleicht mit ein paar Teilen verblichenen Porzellans oder einem französischen Glaskelch aus der Portobello Road für Mum und Dad, die keine Miete annehmen wollten, aber solche alten Schätzchen fast so sehr liebten wie ich.
Oft fuhr ich auch weiter nach Westen, nahm die District Line und stieg am Sloane Square aus. Ein Stand, den ich im Antiquarius-Antikmarkt in Chelsea öfter besuchte, wurde von einem korpulenten Franzosen geführt, dessen
Gesicht die Farbe des Rotweins hatte, den er unter seinem Ladentisch stehen hatte und von dem er regelmäßig ein Schlückchen nahm. Das Atmen schien ihm schwerzufallen, er schnaufte und prustete über seinen Waren und stand schützend daneben, wenn ich die gustavianischen Terrinen, die alten französischen Bistrogläser und die wunderbar verschnörkelten Kerzenhalter aus Sèvres in die Hand nahm.
»Das können Sie ’aben für fünfzehn«, schnaufte er und löste eine Zigarette aus seinem Mundwinkel, während ich einen alten Milchkrug bewundernd in den Händen drehte.
»Der hat aber einen Sprung«, sagte ich zu ihm und drehte den Krug um.
»Genau deswegen können Sie ihn’aben für fünfzehn.«
Wortwechsel dieser Art waren zwischen uns an der Tagesordnung. Er hatte für meinen Geschmack die beste – und günstigste – Auswahl an kontinentaleuropäischem Porzellan und Glas in London und noch dazu die beste und günstigste Spitze. Drei Stände weiter gab es noch eine ebenso elegante wie muffige, junge Französin, die vielleicht an Ware mithalten konnte, deren Preise allerdings astronomisch waren und die auch nicht mit sich handeln ließ. Ja, sie redete noch nicht einmal mit mir, so wie Christian. Sie saß nur hoch auf ihrem Hocker, die Nase tief über ihre Paris Match gebeugt, mit übereinandergeschlagenen Beinen in schmalen Jeans und wippte mit den perlenbesetzten Pumps.
»Ich gebe Ihnen zehn«, schlug ich ihm vor.
Er lachte. »Niemals. Ich ’abe gekauft für zehn in Boulogne! Wie viel für Benzin ’in und zurück, hmm? Vergessen Sie’s.«
Ich zuckte die Schultern. »Okay. Ich komme nächste
Woche wieder und biete Ihnen zehn Pfund, wir werden sehen, ob Sie es dann verkaufen oder nicht.«
Das war ein Trick, der bei Christian oft funktionierte. Wenn ein Stück nach einer Woche noch da war, gab er oft nach.
»Ich werde nicht mehr ’ier sein nächste Woche und auch nicht in den Wochen danach. Mein Arzt sagt, es ist zu viel für mich, ’ier zu arbeiten mit Emphysem und jeden Monat nach Frankreich fahren, zu einkaufen. Und so kalt in diese verdammte Markthalle in Winter.« Traurig schob er seine Waren hin und her. »Ich gebe also auf ’ier.« Er zuckte die Schultern.
»Oh, aber was machen Sie dann?« Ich hatte mich an sein Schnaufen gewöhnt. Und an seine bissigen Kommentare.
Er zog alles in die Höhe: Schultern, Hände, Augenbrauen. »Wer weiß? Zurück nach Nantes, normalement
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