War ich gut Schatz
hinter den Schreibtisch setzen und mir Gedanken über die Behandlung von Därmen anderer Menschen machen. Und dabei wurde ich eigentlich für die Rubrik Kultur eingestellt. Irgendwie scheinen mich heute Apotheken zu verfolgen.
Wenigstens kann ich Friedemann diesmal schnell abwimmeln. Wenn ich nicht aufpasse, lasse ich mich nämlich regelmäÃig in lange Gespräche mit ihm verwickeln. Irgendwas hat er an sich, dass ich einfach nicht widerstehen kann. Und ich weià nicht mal, was das genau ist. Vielleicht ist es seine nette Stimme, sein Aussehen ist es auf jeden Fall nicht. Ich stehe auf dunkle Typen. Daniel ist, rein optisch gesehen, mein absoluter Traummann, ehrlich. Friedemann ist blond und seine Augen sind grün. Manchmal schimmern sie leicht türkis, je nachdem, wie das Licht fällt. Das sieht dann sehr schön aus. Trotzdem, eigentlich gehört mein Chef eher zu den unscheinbaren Typen, und dennoch fühle ich mich regelmäÃig seelisch von ihm ausgezogen,
wenn er lange in meiner Nähe ist. Irgendwie mag ich einfach seine Art und seine Gedanken.
»Ãtsch«, sage ich bestimmt, als ich den Hörer schon nach kurzer Zeit auflege. Diesmal bin ich nicht schwach geworden, mich in endlose Diskussionen verwickeln zu lassen. Dann fällt mir ein, dass ich nicht undankbar sein darf, denn immerhin hat Friedemann mir am Donnerstag für zwei Wochen Urlaub gegeben, obwohl ich offiziell noch in der Probezeit stecke. Ich dachte, dass Urlaub ganz praktisch wäre, um die Trennung zügig über die Bühne zu bringen.
Aus Dankbarkeit habe ich dann auch den Artikel zugesagt, den sonst niemand schreiben wollte. Wenigstens durfte ich dabei zwischen zwei Themen auswählen, wobei das andere auch nicht viel prickelnder war. Ãber Inkontinenz im Alter will ich mir eigentlich genauso wenig Gedanken machen müssen wie über Verstopfung. Und überhaupt, warum kann Friedemann sich nicht mal was Spannenderes einfallen lassen als ausgerechnet eine Berichtreihe über Alltägliche Gesundheitsprobleme bei Jung und Alt? Der ist doch sonst so kreativ! Das doofe Thema ist ihm bestimmt nur eingefallen, weil ich mal für die Apotheken Umschau gearbeitet habe.
Und dabei habe ich schon so oft tolle Vorschläge gemacht. Ich habe wirklich gute Artikel in der Schublade liegen, »Mein Leben im Pott« zum Beispiel. Immerhin ist das Ruhrgebiet einzigartig und Heimat der einen oder anderen wirklich interessanten oder gar skurrilen Persönlichkeit. Mich interessiert, wie die Menschen hier leben,
was sie bewegt, was sie denken und fühlen, und nicht, was sie bei Verstopfung schlucken oder welche Windeln am meisten Flüssigkeit aufsaugen, wenn man eine Blasenschwäche hat. Aber Friedemann schafft es immer wieder, mich ganz schnell vom Gegenteil zu überzeugen.
»Haben Sie mal gesehen, wie viele Apotheken es in manchen Stadtteilen auf einem Haufen gibt? Mindestens genauso viele wie Bäckereien. Schreiben Sie über die kleinen Wehwehchen oder darüber, dass die Brötchen immer kleiner werden. Das lesen die Leute!«
Die Bärenapotheke ist in der Innenstadt von Oberhausen. Das sind etwa zwanzig Minuten, wenn viel Verkehr ist. Eigentlich könnte ich ja auch einfach anrufen: »Hallo, ich wollte Ihnen nur sagen, dass Ihre Kasse eventuell spinnt â¦Â« Nein, das ist mehr als peinlich. AuÃerdem will ich mich mit eigenen Augen überzeugen. Ich fahre also lieber selbst hin, dann kann ich direkt auf dem Rückweg einkaufen. Der Kühlschrank muss sowieso aufgefüllt werden. Und in der FuÃgängerzone gibt es ja bekanntlich genügend Bäcker, dann kann ich auch gleich Brot kaufen. Brötchen gibt es bei uns nämlich nur noch ab und zu am Wochenende.
Irgendwie hat Friedemann mit seiner Brötchentheorie vielleicht sogar Recht. Ob die Dinger kleiner geworden sind, weià ich nicht so genau, aber teuer sind sie, besonders wenn sie noch gesund sein sollen und mit ganzen Körnern gebacken werden. Und wenn man noch ein Stück Kuchen dazu kauft, dann wird man beim Bäcker gleich ein kleines Vermögen los. Aber man lebt ja schlieÃlich nur einmal!
Die Kasse spinnt nicht. Wir haben Viertel nach zwölf, auf meiner Uhr und auf dem Kassenbon. Aber weil ich ja bis zum Schluss immer nur an das Gute im Menschen glaube, frage ich vorsichtshalber doch nochmal nach: »Ach, passiert es eigentlich manchmal, dass die Uhrzeit auf dem Bon falsch angezeigt
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