War ich gut Schatz

der überhaupt keine Anstalten macht, sich beruflich etablieren zu wollen. Der Job ist zwar nicht mein Traumjob, aber manchmal ist es doch interessant, ich bin viel unterwegs, und außerdem wird er ganz gut bezahlt.
    Anfangs hat Daniel mich immer verwöhnt, wenn ich abends kaputt von der Arbeit kam. Heute putze ich hinter ihm her, sorge für einen vollen Kühlschrank und dafür, dass etwas Gesundes zum Futtern auf den Tisch kommt. Und jetzt stellt sich auch noch heraus, dass er mich belügt. Irgendwas habe ich wohl grundlegend falsch gemacht.

10 Vielleicht bin ich meiner Mutter ähnlicher, als ich es manchmal wahrhaben will
    Mein Sternzeichen ist Skorpion, mein Aszendent ist Krebs. Astrologie hat in unserer Familie immer schon eine große Rolle gespielt. Wenn ich früher einen Jungen mit nach Hause brachte, fragte meine Mutter immer zuerst: »Wann hat dein Freund Geburtstag?«, und dann machte sie eine erste Prognose, wie lange das mit uns gutgehen würde. Danach wurde der arme Kerl dazu gezwungen, auch mit der Geburtsstunde rauszurücken, um den dazugehörigen Aszendenten auszurechnen, denn nur so könne man astrologisch eindeutige Aussagen machen. Spätestens das gab den meisten meiner Freunde den Rest, weil zu mir anscheinend sternentechnisch so gut wie gar nix passt. Also waren die meisten meiner Beziehungen von vornherein zum Scheitern verurteilt.
    Deswegen interessierte es mich auch nicht, als meine Mutter andeutete, ein Zwilling, so wie Daniel einer sei, sei das allerletzte Sternzeichen aller Sternzeichen überhaupt, das zu mir passen würde. Denn, so erklärte sie damals, ein Luftzeichen würde niemals mit einem Wasserzeichen harmonieren, was übersetzt so viel bedeutete wie: Du, mein Kind, bist sehr tiefgründig, und dein Daniel ist die Oberflächlichkeit
in Person. Um meiner Mutter einen Gefallen zu tun und um sie eventuell zu beruhigen, suchte Daniel tatsächlich seine Geburtsstunde heraus, damit sie seinen Aszendenten ausrechnen konnte. Ich hatte die Hoffnung, dass wenigstens der zu mir passen könnte. Dem war aber nicht so, denn danach hatte Daniel bei meiner Mutter gar keine Chance mehr. Daniels Aszendent ist Schütze. Und Schützen gehören alle zu den schlimmsten Männern, die die Astrologie hervorgebracht hat. Mein Vater ist nämlich Schütze. Und der hat meine Mutter mit uns beiden Kindern sitzenlassen, als ich sieben und mein großer Bruder Benno zehn Jahre alt war …
    Mit Sternzeichen kann man ja alles erklären – und was noch besser ist, fast alles entschuldigen. Mein Vater konnte demnach nichts dafür, dass er ständig nach anderen Frauen schielte und schließlich mit einer von ihnen auf Nimmerwiedersehen verschwand. Aber das machte es auch nicht besser. Die Zeit nach der Trennung war wirklich hart für uns. Meine Mutter tat alles, damit wir nicht mitbekamen, wie sehr sie litt, aber ich habe sie oft abends in der Küche weinen hören. Irgendwann zog mein Vater für immer nach Thailand. Das war damals für mich ganz praktisch, weil ich mir dadurch einreden konnte, er könne uns wegen der großen Entfernung nicht mehr besuchen. Aber als noch nicht einmal Postkarten von ihm in unserem Briefkasten landeten, begriff ich endlich, dass wir ihm egal waren. Von da an war er mir auch egal. Und so ist das bis heute geblieben. Ich hoffe nur, dass er nicht irgendwann genauso unerwartet vor meiner Tür steht, wie er damals verschwunden ist.

    Sam hat mir in der Zeit viel geholfen. Sie hat auf mich aufgepasst, dafür gesorgt, dass ich das Lachen nicht verliere und war an meiner Stelle wütend, wenn das Gespräch hin und wieder auf meinen Vater kam. Wie mein Bruder mit der ganzen Sache umging, weiß ich nicht genau. Mein Vater ist auch heute noch kein Thema zwischen uns. Aber Benno fing damals gewaltig an zu futtern, wahrscheinlich um sich eine ordentliche Schutzschicht zuzulegen.
    Meine Mutter hat es nicht einfach gehabt und wegen uns Kindern auf vieles verzichtet. Dadurch hatten wir eine Kindheit, an die ich trotzdem sehr gerne zurückdenke. Einen anderen Mann hat sie erst wieder an sich rangelassen, als auch Benno vor vier Jahren endlich ausgezogen ist. Der neue Partner meiner Mutter heißt Alexis, ist Grieche und einen Kopf kleiner als sie, was mich immer mal wieder an Nico denken lässt … Er hat unten links eine Zahnlücke, die man sehr oft sieht, da er gerne lacht. Sternzeichentechnisch