Waren Sie auch bei der Krönung?
weiterdrängenden Hintermänner, die es mit der Polizei aushandeln wollten, vorwärts gestoßen. Sie trafen bald auf den Gegendruck der Leute, die mit enttäuschten Gesichtern von der Schranke zurückkehrten. Diese sagten: «Es hat keinen Zweck. Sie lassen niemanden durch.»
«Du mußt der Polizei erzählen, was uns passiert ist, und man wird uns durchlassen», sagte die Großmutter.
Clagg war dessen keineswegs sicher, aber er wußte, daß wenigstens der Versuch unternommen werden mußte.
Zehn Meter vor der Schranke, an der der Polizist stand, kam die schiebende und geschobene Menschenmasse zum Stillstand.
«Wartet hier», sagte Clagg zu den Seinen. «Ich will mal sehen, was sich machen läßt.» Mit Hilfe seiner breiten Schulter und seines kräftigen Körpers bahnte er sich einen Weg. Die Menge, die früher freundlich, entgegenkommend und liebenswürdig schien, war anders geworden. Es dauerte mehrere Minuten, bis er nach großen Anstrengungen und erheblichem Kraftaufwand den Polizisten bei der kleinen Pforte erreichte, durch die man Durchlaß durch die Schranke erhalten konnte. Er war in Schweiß gebadet, als er ankam.
Keuchend, vom Regen und von dem ihm in die Augen rinnenden Schweiß halb blind, begann er natürlich in der ungeschicktesten Weise: «Hören Sie mal, wir müssen da durchkommen.»
Der Polizeibeamte antwortete eintönig wie die Bandaufnahme, die am Telefon die Zeit angibt: «Kein Durchlaß mehr. Sie müssen leider zurückgehen. Niemand wird mehr eingelassen.»
«Aber ich habe Karten gehabt!» schrie ihn Clagg an.
«Karten?» echote der Polizist. «Schön, lassen Sie mich sie einmal sehn.» Und dann sagte er zu den Nächststehenden, die ihn beinahe erdrückten: «Bitte, möchten Sie mal diesen Herrn heranlassen? Er hat Karten.»
Clagg hatte natürlich keine Karten, und er verfluchte sich jetzt innerlich, weil er so albern gewesen war, die Billetts herzugeben. Detektiv hin, Detektiv her: er hätte doch jetzt wenigstens eine oder zwei Karten herzeigen können.
«Nun?» sagte der Polizist.
Clagg wurde unsicher. «Ich sagte, ich habe Karten gehabt. Jetzt habe ich sie nicht mehr. Einer von euch Wichtigtuern nahm sie mir weg. Sie waren gefälscht. Fünfundzwanzig Guineen per Stück. Ich habe die ganze Familie aus Sheffield hergebracht. Es war nichts dort, das Haus war durch eine Bombe zerstört worden», sagte er nicht gerade überzeugend zum Abschluß.
Dem Polizisten, der nicht nur jung, sondern auch kein Londoner war, klang die Geschichte höchst unwahrscheinlich. Er war von Westengland zur Aushilfe herbeigeholt worden, um bei der gewaltigen Aufgabe mitzuwirken, während der Krönungsfeierlichkeiten die Ordnung in der Stadt aufrechtzuerhalten. «Was soll das heißen?» sagte er, «Sie drängen sich durch mit der Behauptung, daß Sie Karten haben, und dann haben Sie gar keine! Mit diesen Methoden werden Sie nichts erreichen!»
Zwei Ehepaare mit Billetts in der Hand drängten sich durch. «Bitte, treten Sie zur Seite», sagte der Polizist, «und lassen Sie diese Leute durch, die tatsächlich Karten haben.» Seine Stimme war voll Sarkasmus.
In diesem bitteren Augenblick überquerte Clagg die schreckliche Kluft zwischen den Privilegierten und den Nicht-Privilegierten in der umgekehrten Richtung. Sein Wunder wirkender Talisman war ihm geraubt worden. Ohne ihn glich er jetzt allen andern und wurde herumgestoßen und herumgepufft. Während die vier Kartenbesitzer durchgelassen wurden, konnte Clagg durch die Öffnung das ungeheure Menschenmeer auf der andern Seite sehen, oder vielmehr Tausende Hinterköpfe ; er konnte durch Piccadilly blicken und bemerkte die Bäume des Green Park. Dann schloß sich die Sperre wieder.
Clagg stand der Situation wieder hilflos gegenüber und konnte nichts anderes tun als knurren, murren und grollen und es vermeiden, seine Familie anzublicken, der es unterdessen gelungen war, zu ihm vorzudringen. Als er dann den Nächststehenden die Geschichte von den gefälschten Karten erzählte, lachten mehrere ungläubig. Aber einige erkannten, daß er die Wahrheit sprach; ihr Gerechtigkeitssinn bäumte sich dagegen auf, und sie riefen sogar dem Polizisten zu, es sei eine Schande und er solle die Claggs durchlassen. Natürlich wurde der Polizist daraufhin noch widerspenstiger und versteifte sich darauf, daß er seine Pflicht tun müsse.
Gwendoline sagte plötzlich: «Ich bin müde, Vati.» Clagg hob sie hoch. Sie lehnte zufrieden und vertrauensvoll ihren Kopf an seine Schulter und
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