Waren Sie auch bei der Krönung?
Notizbuch und einen Bleistiftstumpf hervor, die er mit gewölbter Hand vor dem Regen schützte. «Ich muß ‘ auch Ihren Namen und Ihre Adresse notieren, Sir.»
Clagg fuhr ihn zornig an: «Zum Teufel, wozu denn? Ich hab dafür bezahlt! Na schön, man hat mich angeschmiert! Könnt ihr uns nicht in Ruhe lassen? Wir sind eben hereingefallen. Wir haben uns nicht beschwert.»
Der Detektiv sagte: «Tatsachenbestand, Sir. Sie wollen doch, daß man diesen Kerlen das Handwerk legt, nicht wahr? Die haben sich einen grausamen Scherz erlaubt. Sehen Sie mal: Sie und Ihre Familie...»
Johnny Clagg jammerte: «Ich wollte meine als Andenken aufheben!»
Die Hand des Detektivs war noch immer ausgestreckt. Clagg blieb nichts anderes übrig, als ihm die Karten auszuhändigen. Der Mann betrachtete sie mit ernster Miene und nickte. Sein Begleiter sagte freundlich zu Johnny: «Wenn wir sie nicht mehr brauchen, werden wir sie dir schicken, wenn du sie möchtest.» Und an Will Clagg gewandt: «Sie können uns helfen, diese Schwindler zu fangen, verstehen Sie?»
Der Polizist setzte den Bleistift wieder an: «Ihren Namen, bitte?»
In seinem Ärger war Will Clagg nahe daran, «John Smith» zu sagen, aber dann entdeckte er, daß sich nun seine Wut nicht nur gegen die Schufte richtete, die diesen elenden Betrug an ihm verübt hatten, sondern auch gegen seinen Vetter Bert. War es nicht ungesetzlich, der Polizei falsche Namen und Adressen anzugeben? Er war das unschuldige Opfer eines gemeinen Schwindels geworden — und jetzt lief er außerdem Gefahr, auf die Seite der Betrüger gedrängt zu werden, indem er sie nicht nur verteidigte, sondern durch die Angabe eines falschen Namens und einer unrichtigen Adresse beinahe ihr Komplize wurde. «Will Clagg», antwortete er, «Imperial Road 56, Little Pudney.»
«Beruf?»
«Vorarbeiter, Walzwerk Nummer 2, Pudney-Stahlwerke.»
Die Augen des Polizisten ruhten einen Moment lang prüfend und offenbar mit einer gewissen Bewunderung auf Claggs Gestalt. Mit diesem Blick schätzte ihn der Polizist als eine Person von Wert und Wichtigkeit ein, und Clagg empfand eine Sekunde lang warmes Verständnis für den Polizisten, der nichts als seine Pflicht tat.
«Name der Ehefrau?»
«Violet Clagg.»
«Mutter der Frau, oder Ihre eigene?»
«Sie ist die Mutter meiner Frau. Elsie Bonner.»
«Und die Kleinen?»
«John und Gwendoline.»
«Und jetzt», sagte der Polizist, nachdem er seine Eintragung beendet hatte: «Möchten Sie sich nicht die Sache überlegen, was diesen Bert betrifft?»
Einen Augenblick lang unterlag Clagg beinahe der Versuchung. Wenn man mit Hilfe seines Vetters die Betrüger ausfindig machen konnte... Dann siegte die Loyalität. «Nein!»
Der Polizist nickte, als ob er dafür Verständnis hätte, und sagte: «Wenn wir die Kerle erwischen sollten, werden Sie benachrichtigt werden.»
Clagg sagte zu seiner Familie wieder nichts als «Vorwärts!», und sie setzten sich in Bewegung. Die Detektive blickten ihnen mit traurigen, gewitzigten Augen nach.
Die Erwachsenen und besonders Will Clagg waren vorläufig von der Katastrophe so betäubt, daß sie nicht wußten, was sie taten oder wohin sie gingen. Unglücklicherweise wanderten sie nicht in Richtung Wellington Place, wo die Schranken noch offen waren, sondern sie bewegten sich, fassungslos und betäubt, dem Belgrave Square zu.
Gwenny war nicht nur zu jung, um zu begreifen, was sich ereignet hatte, sondern sie war auch zu sehr von dem Gedanken erfüllt, daß sie nun die Königin in ihrer goldenen Kutsche sehen würde. Aber Johnny, " der älter und klüger war, empfand einen Augenblick der Panik, die sich durch das Benehmen der Erwachsenen auch auf ihn übertragen hatte. Er war sich klar darüber, daß mit den gekauften Karten irgend etwas nicht stimmte. Nie zuvor hatte er seinen göttergleichen Vater so aufgeregt und aus der Fassung gebracht gesehen. Aber die Vater-Figur hatte keinen schweren Schaden erlitten. Papa war es immer irgendwie gelungen, alles wieder in Ordnung zu bringen, und er wird es, so dachte Johnny, zweifellos auch diesmal zustande bringen. Unterdessen gab er sich zum erstenmal in seinem Leben dem erregenden Abenteuer des Krönungstags in London hin. Die Soldaten, um derentwillen er gekommen war, mußten wohl irgendwo bereits für die große Krönungsprozession Aufstellung nehmen, und schließlich würde er früher oder später auf sie stoßen. Sein Glaube an den Vater blieb unversehrt.
Anders war es um die Großmutter
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