Waren Sie auch bei der Krönung?
bestellt, deren Zunge nicht stillgestanden hatte, seit sich die Detektive außer Hörweite befanden. Der Singsang ihrer zänkischen Stimme war wie ein unsinniger Rundfunkkommentar ununterbrochen zu hören: über die Leichtgläubigkeit der Männer und insbesondere die Torheit von Bert und Will.
«Sei doch endlich still, Mama!» sagte Violet plötzlich in scharfem Ton. «Will ist nicht schuld daran, und auch nicht Bert. Sie haben beide das Beste für uns gewollt.». Sie war selbst von dem Mut überrascht, mit dem sie sich gegen ihre Mutter wandte. Aber der Schmerz und die Demütigung, die ihr Mann empfand, hatten sich auch ihr mitgeteilt und sie gerührt. Sie sprach, ehe sie sich dessen bewußt war.
«Hm», sagte die Großmutter, «du mußt dich natürlich für ihn einsetzen. Aber du weißt so gut wie ich, daß ich recht habe.» Sie beruhigte sich jedoch und ging weiter durch den stetigen, kalten Regen. Ihre Lippen bewegten sich stumm, ihre Augen waren hart und zornig.
Während sie sich von dem Schauplatz ihrer Niederlage entfernten, kreisten Will Claggs Gedanken nicht so sehr um die Frage, wer an den Geschehnissen schuld war und worin seine eigene Verantwortung hierfür bestand, sondern um die Tatsache, daß seine eigene Welt zertrümmert worden war. Der Gedanke, daß seine Kinder eine Enttäuschung erleiden würden, quälte ihn. Aber darüber hinaus war ihm klargeworden, daß etwas Böses, Verbrecherisches und Destruktives in seine sichere, behagliche, englische Welt eingedrungen war.
Will Clagg hatte immer sein redliches Tagewerk geleistet und dafür seinen redlichen Lohn erhalten. Er lebte ein einfaches und anständiges Leben in verhältnismäßiger Sicherheit. Selbstverständlich gab es Polizei und Diebe und Mörder, und es gab auch Betrüger von großen Dimensionen, und in den Zeitungen konnte man immer unterhaltende Geschichten von Raubüberfällen und Gewalttaten, Schändungen und Morden, Entführungen und Brandstiftungen, gigantischen Schwindeleien und Prellereien an Witwen und Waisen lesen. Aber alle diese Dinge passierten immer irgendwelchen Fremden. Nie zuvor war er selbst das Opfer eines Verbrechens geworden, schon aus dem einfachen Grunde, weil er nie etwas besessen hatte, das zu stehlen sich gelohnt hätte. Jetzt aber hatte er zum erstenmal zur Kenntnis nehmen müssen, daß er sich mitten im Dschungel befand. Merkwürdigerweise wurde dadurch seine sonst so schwerfällige Phantasie plötzlich schöpferisch angeregt, und er sah im Geist die Fälscher in ihrer geheimen Werkstatt. Sie waren über ihre Prägestöcke und Werkzeuge gebeugt und grinsten und kicherten, während sie die falschen Billetts herstellten, mit denen Will Clagg und seine Familie hinters Licht geführt werden sollten.
Clagg hatte einen schweren Schlag erlitten. Er war sich darüber im klaren, daß künftighin weder er selbst noch sein Leben so sein würden wie bisher. Ihm war, was Gelegenheitskäufe betrifft, eine bittere Lektion erteilt worden, aber die eigentlichen Leidtragenden waren die Mitglieder seiner Familie. Diese Tatsache versetzte ihn in solche Wut, daß er beinahe in Tränen ausgebrochen wäre. Er war völlig hilflos. Die Betrüger würden wohl nie erwischt werden. Was könnte es auch nützen? Die Krönung und all die Freuden und großen Erlebnisse, die sie nicht genießen durften, würden dann längst vorbei sein.
Unterdessen marschierte er blind und stumm weiter, und seine Familie folgte ihm, ohne zu wissen wohin. Sie gingen von Belgrave Square durch William Street bis Knightsbridge, wo sie wieder auf den gegen Osten ziehenden Menschenstrom stießen.
Einen Augenblick lang standen sie hier unter dem grauen, weinenden Himmel und beobachteten die Menge. Vom Fluß her trugen die regenschwarzen Windstöße fernes Dröhnen herüber. Johnny Clagg V spitzte die Ohren. «Kanonen!» rief er aufgeregt.
Der Lärm der Salutschüsse machte ihnen deutlich klar, was sie versäumten. Eine Sekunde lang verlor Will Clagg allen Mut, besiegt und mit wundem Herzen. «Nun schön», sagte er. «Wir haben verloren. Ich bin ein Idiot. Ich habe alles verpatzt. Fahren wir nach Hause.»
Violet Clagg faßte ihn am Arm. «Nimm es dir nicht so zu Herzen, Will. Es ist nicht deine Schuld.» Seine Worte «nach Hause» waren zu den beiden Kindern gedrungen, und sie stimmten ein schmerzerfülltes Protestgeschrei an. Sonderbarerweise war es die Großmutter, die sich jetzt dagegen wehrte.
«Nach Hause fahren?» wiederholte sie. «Und die Kinder
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