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Waren Sie auch bei der Krönung?

Waren Sie auch bei der Krönung?

Titel: Waren Sie auch bei der Krönung? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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waren, schien sich jedoch endlos in die Länge zu ziehen, als die Reihe auch an die Männer von niederem Adel kam, und Lionel sagte: «Das geht ja die ganze Zeit so weiter! Gehen wir!» Diesmal fügten sich seine Freunde. Er drehte am Knopf. Debussy tönte aus dem Kästchen, und die fünf wanderten, von seinen Dissonanzen begleitet, davon, zum Bedauern der Zurückbleibenden, die auf diese Weise ihren einzigen Kontakt mit der Krönung verloren hatten.
    Die Kinder hatten die ganze Schokolade verzehrt, die die Claggs mitgebracht hatten. Nichts deutete darauf hin, daß sich der Lauf der Ereignisse ändern oder das Tor geöffnet werden würde, um sie durchzulassen. An dieser Stelle zu stehen, war zur Gewohnheit geworden. Niemand brachte die Energie auf wegzugehen, denn einer jeder fürchtete, etwas zu versäumen. Als das Unvermeidliche geschah und die Kinder bekanntgaben, daß sie das W.C. aufsuchen müßten, besorgten sie das der Reihe nach. Zum Glück waren sie in nächster Nähe der Bedürfnisanstalt bei Hyde Park Corner. Violet ging zuerst mit der Großmutter und Gwenny. Dann wanderte Will mit Johnny hin. Als sie etwas erfrischt zurückkamen, blieben sie einfach weiter stehen. Es war, als ob irgendein Zauber sie für alle Ewigkeit an dieser Stelle fixiert hätte.
    Zugegeben: Will Clagg unternahm einen etwas zaghaften Versuch, aus dem Kokon der Trägheit auszubrechen, in den er eingesponnen war, aber er hatte eine zu große moralische Niederlage erlitten, um sich durchzusetzen. Er deutete halblaut an, daß es wohl am besten wäre, wenn sie alle heimgingen, um warme, trockene Kleider anzuziehen. ; Niemand antwortete ihm. Für Violett hätte die Heimkehr das Ende des Abenteuers bedeutet, wenn ihr Erlebnis überhaupt diese Bezeichnung verdiente, und was die Großmutter betrifft, war erst die Hälfte des Leidenstages vergangen. Es galt noch, ein Guthaben von vier oder fünf weiteren Stunden des Unbehagens und Elends zu erwerben. Sie hatte es nicht eilig, Schluß zu machen.
    Man kann unmöglich sagen, ob er, wiewohl er auf solche Weise ignoriert wurde, sich weiter für seinen Vorschlag eingesetzt hätte. Denn in diesem Augenblick — es war kurz nach zwei Uhr — vernahm man das Dröhnen ferner Trommeln und das von Windstößen herangetragene Trara von Militärmusik. Die Prozession war unterwegs.
    Auf die Gefangenen hinter der Barriere übte die kriegerische Musik sofort eine elektrifizierende, belebende Wirkung aus. Die Rücken strafften sich, die von Müdigkeit und Erschöpfung matt gewordenen Augen leuchteten auf. Man bedrängte den Polizisten: «So mach doch! Wirst du uns jetzt durchlassen oder nicht?»
    Der junge Polizist, auf den die fernen Klänge gleichfalls ihre Wirkung hatten, grinste verlegen. Es sah so aus, als ob nun etwas geschehen sollte, aber die Lage blieb unverändert. «Ich habe keine Weisung, Sie durchzulassen», wiederholte er. «Ich kann selbst nicht mehr sehen als Sie.»
    «Sie werden dafür bezahlt, hier zu stehen. Was soll mit den Kleinen da geschehn? Die sind von Sheffield hergekommen, um die Königin zu sehn.»
    Der Polizist drehte ihnen den Rücken zu. Näher und näher kam die erste der Kapellen unter den dröhnenden, schmetternden und schrillen Klängen des aufwühlenden Militärmarsches. Die metallene Musik nahm an Lautstärke zu, als die marschierende Kapelle aus der Schlucht des Piccadilly auftauchte und in den Platz einzog. Sie schwenkte ein mit einem Kreischen der Querpfeifen, Schmettern der Blechinstrumente und Schlegelschlag auf nasse Trommelfelle. «Bum, bum, bum-di-bum!» ging der Rhythmus, und man konnte im Geiste die stolzen Trommler mit ihren Pantherfellen sehen, wie sie die Schlegel über ihren Köpfen wirbelten, ehe sie sie wieder mit einem Krach auf die Seiten ihrer Instrumente niedersausen ließen. «Ti-bum, ti-bum, ti-bum!» Tschiriellen klirrten, bebten und hallten nach und ließen die Luft mit ihren Schwingungen erzittern.
    Zu den aufpeitschenden Klängen der Msuik gesellten sich jetzt das endlose «Tram-tram-tram-tram!» marschierender Füße und die melancholischen, schrillen, gedehnten Kommandorufe der Offiziere. Sie befahlen, nach rechts zu schwenken, als sie um das Dreieck jenseits Hy de Park Corner zogen, sich teilten und durch die Torbögen marschierten, durch die man den East Carriage Drive erreicht.
    Die hinter der Barriere Stehenden dachten von nun an nicht mehr daran, forzugehen. Die Klänge füllten ihre Ohren, erhitzten das Blut in ihren Adern und ließen ihre

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