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Waren Sie auch bei der Krönung?

Waren Sie auch bei der Krönung?

Titel: Waren Sie auch bei der Krönung? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Glieder zucken. Sie standen Tantalusqualen aus, aber es gab keine Flucht. Ohne daß es ihnen klar war, fanden sie sich mit der Hälfte des Schauspiels ab. Wenn es ihnen schon versagt war zu sehen, konnten sie wenigstens hören. Ganz in der Nähe der Claggs tanzten einige bei der kleinen Pforte im Takt der Musik. Es wärmte sie und gefiel ihnen. Als eine Kapelle der andern folgte, hatten sie den Eindruck, daß sie dem Geschehen vor dem Lautsprecher folgten. Wenn man nicht die Schritte der Marschierenden hörte, vernahm man den rhythmischen Hufschlag der Kavalleriepferde auf dem Asphalt, begleitet von dem fröhlichen metallischen Klirren der Geschirre und Waffen.
    Sie hörten das gewichtige, polternde Vorbeirollen der von Schützenpanzerwagen und Lastern gezogenen Geschütze und später das charakteristische metallische Dröhnen und Donnern der Panzer. Es gab jetzt keine Unterbrechung in der Musik. Querpfeifen und Trommelwirbel mischten sich mit den Trompetenklängen der Militärkapellen, um von den Baßtönen und dem Quieken der Dudelsackpfeifer oder den Hörnern und Kesselpauken der Ulanen und Husaren abgelöst zu werden.
    Bisweilen gab es eine Pause, und zu den Lauschenden drang dann das Geräusch, das beim Gewehr-bei-Fuß-Stellen der Waffen erzeugt wird, da die Parade vorübergehend zum Stillstand kam. Dann tönten, in der Ferne verklingend, die Rufe der Offiziere herüber, als ob jedes Kommando ein anderes in größerer Entfernung auslöste. Wieder hörte man das Rascheln und Klappern, das beim Schultern der Gewehre entstand, wieder ein melancholisches Kommando und den strammen Rhythmus von Füßen im Gleichschritt.
    So tönte regimentsweise der Widerhall der paradierenden britischen und Commonwealth-Truppen über die Barriere, während über ihren Köpfen die Kampf- und Jagdflieger der Royal Air Force mit dem lärmenden Dröhnen ihrer Motoren zu der großen Militärsymphonie beitrugen.
    Während all dies geschah, litt ein kleiner Junge, verborgen und unbemerkt von der dichten Menge ringsum, unaussprechliche Qualen.
    Denn Johnny Clagg war gekommen, um einen Blick auf diese glitzernden Uniformen auf der andern Seite der Schranke werfen zu können. Dafür hatte er bereitwillig auf seine geliebten Ferien verzichtet. Niemals wieder in seiner Kindheit dürften alle die Soldaten, Matrosen und Flieger der Länder, die einmal das größte Reich der Geschichte gebildet hatten, in einer Parade vereinigt sein.
    Sie marschierten jetzt vorbei, mit Stahlhelmen, Bärenfellmützen, mit Baskenmützen oder Brustpanzern, in weißen, blauen, grünen, khaki-und scharlachfarbenen Uniformen, Männer, deren Hautfarbe alle Nuancen aufwies von nördlichem Weiß bis zu goldenem Braun und tropischem Schwarz.
    Neben den großartigen britischen Regimentern, denen Johnnys Herz gehörte, marschierten die Soldaten der Fidschi- und Salomoninseln, braune Männer aus Borneo, Jamaika, Ceylon, Malaya und Somaliland, Regimenter aus Sarawak, von den Bahamas, aus Kenya und Pakistan sowie aus West-, Ost- und Südafrika. Er müßte jetzt Truppen aus Hongkong, Papua, Neu-Guinea, Australien, Neuseeland, Kanada und Rhodesien sehen. Wann würde ein Junge wieder imstande sein, die berühmten grünuniformierten Gurkhas mit ihren oder die roten Röcke und Stetson-Hüte der ebenso berühmten berittenen Polizeitruppe von Nordwest-Kanada zu bestaunen?
    Hinter ihnen rollten sicherlich die mechanischen Ungeheuer, die das Herz eines Knaben bezaubern können, all die faszinierenden Metallwaren des Krieges: Haubitzen mit schwarzen, gähnenden Mündern, Flak-Geschütze, die mit warnenden Fingern gegen den Himmel wiesen, Long-Tom-Gewehre, die Atomgeschosse abfeuern können, Maschinen- und Mörserbatterien, Schnellfeuergeschütze, Schützenpanzerwagen, Feld- und Gebirgsartillerie, Flammen- und Raketenwerfer, und die großen Schlachtschiffe des Festlands, die Riesenpanzer. All dies zog wohl vorbei, während Johnny still und vor Kälte zitternd im Regen stand.
    Will Clagg wagte es nicht, seinen Sohn anzusehen. Demnächst, so gelobte er, würde er ihn ins Kino mitnehmen, wo sie gewiß im Farbfilm alles sehen würden, was sie jetzt versäumten. Aber der Vater wußte, daß es nicht dasselbe sein würde, daß es für das Kind nie dasselbe sein konnte wie das vom Lärm und Donner der Wirklichkeit begleitete Schauspiel.
    Und wenn schon sein Sohn zu leiden hatte, was mußte erst sein anderes Kind erdulden, das seinem Herzen am nächsten war, für das er, weil es seine

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